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Zusammenarbeit beseitigt Unkenntnis der Generationen von einander

Autor: Dr. Thomas Meyer, Redaktion terzMagazin | Foto: iStockphoto

Der demographische Wandel wird Wirtschaft und Gesellschaft zwingen, auf die Ressourcen und Kompetenzen der Älteren zurückzugreifen. Das wertet diese Generation auf und stärkt ihre Position (These 10).

Zusammenarbeit beseitigt Unkenntnis der Generationen von einander

Zusammenarbeit beseitigt Unkenntnis der Generationen von einander

Es ist sicher, dass in absehbarer Zeit qualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden. In Zeiten erhöhter Arbeitslosigkeit klingt diese Prognose wenig glaubwürdig. Es lässt sich jedoch für Statistiker sehr leicht ausrechnen, wie viele Personen in zwanzig Jahren zwischen 25 und 44 Jahre alt sein werden: Wer vor fünf Jahren noch nicht geboren war, kann 2030 nicht zu dieser Gruppe der Schweizer Wohnbevölkerung gehören. Und das werden 130’000 Personen weniger sein als heute. Allein aus dem Ausland durch „Headhunter“ Führungskader anzulocken, wird das Problem nicht lösen: Zu wenige Junge folgen den zahlreicheren Älteren, insbesondere bei den nicht-akademisch ausgebildeten Mitarbeitenden der Sekundarstufe werden Anwerbungen von aussen den Nachwuchsmangel nicht ausgleichen können.
In den Jahrzehnten seit Einführung der AHV 1948 hat sich der Anteil berufstätiger Frauen stark erhöht. Der frühere Arbeitsmarkt mit Vollzeitstellen für Männer und weniger Teilzeitstellen für Frauen ist von Grund auf verändert: Der Anteil vollzeitbeschäftigter Frauen ist gestiegen, Männer arbeiten häufiger teilzeit – wie auch viele Frauen. Ihr Anteil (bei den Vollzeitstellen jahrelang nur etwa 30 % laut BFS) lässt sich aber nicht mehr so sehr steigern, dass die Zahl der qualifizierten Mitarbeitenden, die in wenigen Jahrzehnten fehlen werden, ausgeglichen werden könnte.

Im Alter erwerbstätig bleiben
Die Beschäftigtengruppe, die noch Potenzial hat, die drohende Lücke auszugleichen, sind die älteren Mitarbeitenden, die fähig und gewillt sind, auch nach dem 65. Geburtstag weiter erwerbstätig zu bleiben. Schon bisher ist der Anteil der Erwerbstätigen in diesem Alter in der Schweiz deutlich höher als in den Nachbarländern. Mit 66 Jahren geben 30 Prozent der alleinstehenden Männer und 35 Prozent der Männer, die in Paarhaushalten leben und hierzulande steuerpflichtig sind, ein Erwerbseinkommen an. Auch mit 70 Jahren tut das noch ein gutes Fünftel der Männer, die in der Schweiz leben. Selbst mit 80 arbeiten noch knapp zehn Prozent der hier ansässigen Männer (fast immer in Teilzeit-Beschäftigungsverhältnissen), um ein Erwerbseinkommen zu erzielen (Angaben nach Yves Rossier, Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen: „Weiterarbeiten nach 65 – erwünscht oder verpönt?“).
In Italien gab es Bemühungen, für Schwerarbeitende die Zahl der obligatorischen Beitragsjahre für die Rentenversicherung zu verringern. Der Gedanke leuchtet unmittelbar ein: Wer 35 oder gar 40 Jahre unter Tage im Bergbau geschuftet, Betonstahl gebogen und verflochten oder Rinderhälften im Akkord zerteilt hat, der hat körperlich genug getan für ein Arbeitsleben. Doch die konkrete Definition von „Schwerarbeit“ ist nirgends geglückt, sodass dieses Vorhaben fallen gelassen wurde.
Einzelne Berufe haben jetzt schon Sonderbestimmungen. Niemand will Erwerbstätige, die körperlich so schwer arbeiten mussten, dass sie nicht mehr länger so weiterarbeiten können, zu fortgesetzter Berufstätigkeit zwingen. Falls sie Begabungen auf anderen Feldern haben, können sie jedoch z.B. Trainer einer Jugendmannschaft oder Lehrlingsbegleiter usw. werden. Aber es gibt noch mehr Arbeitswillige und –fähige unter den Älteren als das Drittel Jungpensionierter, das bisher schon erwerbstätig bleibt. Von ihnen ist hier die Rede: Wer weiterarbeiten kann und möchte, soll dazu motiviert und in keinem Fall daran gehindert werden.

Rückzug in Raten zum allgemeinen Nutzen
Warum sollte der Kunsthandwerker, der Mechatroniker, die Elektroinstallateurin oder Che-mielaborantin nicht jahrzehntelange Berufserfahrung weiter anwenden, weitergeben und nutzbringend verwerten? Alterslimiten, die nur den 65. Geburtstag als absolute Grenze ken-nen, sind völlig antiquiert und müssen vollständig verschwinden. Das System der Sozialversi-cherungen darf nicht mehr bis zum 65. alle für jung und danach alle plötzlich für alt erklären, wie es das bis heute tendenziell tut. Die Flexibilisierung muss viel weiter gehen: Wer heute eine Schnecke für ein Cello schnitzen konnte, verliert diese Fähigkeit nicht über Nacht. Wer die Drehzahl eines Motors nach Gehör korrigieren konnte, die Schaltungen der Beleuchtung eines ganzen Stockwerks einrichten oder am Gaschromatographen bestimmte Kurven auf Anhieb identifizieren konnte, der kann das einige Jahre später auch noch.
Was sich ändern sollte, ist der Grad der Verantwortlichkeit. Jüngere müssen die Chance ha-ben, Führungspositionen zu übernehmen. Ältere müssen sich geregelt allmählich zurückzie-hen können – nicht schlagartig zum Rückzug gezwungen werden. Teilzeitarbeit, Beratertätig-keit und die Erfüllung von Aufgaben, die weniger Arbeitseinsatz, Stress und Verantwortung mit sich bringen, für die der Arbeitgeber auch weniger Lohn aufwenden muss – sie sollten den Älteren ermöglichen, so lange erwerbstätig zu bleiben, wie sie können und wollen.
Die längere Integration ins Erwerbsleben hätte zweifellos günstige Auswirkungen auf die Hochschätzung nicht nur älterer Kolleginnen und Kollegen im Beruf. Voraussichtlich würden nicht nur die de facto berufstätigen Älteren profitieren, die höhere Wertschätzung dürfte auch auf diejenigen ausstrahlen, die vorzeitig oder regulär in Pension gehen wollten oder mussten. Es sind nämlich weniger bestehende Vorurteile oder eine Abneigung einer Generation gegen die andere, die manche vom „Krieg der Generationen“ sprechen lassen: Es ist blanke Un-kenntnis. Und Unkenntnis und Vorurteile verschwinden bei der Zusammenarbeit.

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