fbpx

Wiederholungen

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

„Guete Tag. I bi d’Frou Bärger, wär sid Dir?“ Das Ritual wiederholt sich täglich an der Réception des Altersheims. Der junge Mann hinter der Theke ist geschult. Er wird der dementen Dame seinen Namen höflich zum xten Mal wiederholen.

Unser Leben ist nicht nur durch unseren Tagesablauf und den Wechsel der Jahreszeiten von Wiederholungen geprägt. Sie können mühsam sein, anregend, hilfreich, erwünscht, lästig – aber auch beruhigend. Kinder möchten doch immer wieder die gleiche Gutenachtgeschichte hören. Die ältere Generation erinnert sich. Wiederholungen begannen in der Schulzeit und sie dienten dazu, das Gelernte für alle Zeiten einzuhämmern. Wenig erbaulich waren die Strafaufgaben, die man als lästige Schikane empfand. Auch beim dreissigsten Mal die Zeile schreiben „du sollst nicht schwatzen“ wurde die Handschrift nicht schöner und die Schwatzhaftigkeit wohl nicht behoben. Man schaffte beim Kopfrechnen – gab es früher noch – auch nach endlosem Üben die 7-er Reihe nie reibungslos.

Wer hat nicht ein besonders geliebtes Kleidungsstück jahrelang aufbewahrt, um plötzlich festzustellen, dass es wieder voll in Mode ist. Das gilt auch für den Schmuck. Grossmamas Medaillon wird heute von jungen Frauen wieder gerne getragen.

Bei der klassischen Musik lohnt es sich, konzentriert hinzuhören, wo die Wiederholungen eines Themas auftauchen, sind sie doch oft raffiniert in Variationen eingepackt. Es ist sicher das Ziel des Komponisten, sein Werk den Zuhörern so besser einzuprägen und es der Nachwelt zu erhalten.

Wenn mir die ansonsten noch fitte Freundin Elli zum dritten Mal die gleiche Geschichte erzählt, denke ich an den jungen Angestellten im Altersheim und reagiere so, als hörte ich ihre sensationelle Story zum ersten Mal.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments