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Was vom Tage übrig blieb

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Downton Abbey muss man nicht kennen, aber wenn man es kennt, darf man davon begeistert sein. Schliesslich liebt angeblich auch die Queen diese preisgekrönte TV-Serie. Das ist verständlich, widerspiegelt sich hier doch die aristokratische Welt der britischen Herrschaftshäuser mit ihren pompösen Empfängen, der zahlreichen Dienerschaft, aber auch der Intrigen und Machtspiele.

Was vom Tage übrig blieb

Die dem Normalbürger unbekannte aristokratische Welt eröffnet sich auch im Roman von Kazuo Ishiguro: „Was vom Tage übrig blieb“. Butler Charles in Downton Abbey hat in diesem Meisterwerk mit Stevens sein Gegenstück. Weil eine Aufgabe des Dienstherrn ruft, verlässt der pflichtbewusste Butler sogar seinen sterbenden Vater. Auf die rührenden Annäherungsversuchte der Haushälterin Miss Kenton tritt er nicht ein. Wie früher im Kasperlitheater ist man beim Lesen versucht, dem tragischen Helden zuzurufen: „Hei, dein Pflichtgefühl in Ehren, aber es gibt doch auch noch etwas anderes. Hör auf dein Herz. Du hast doch auch Gefühle, sonst würdest du nicht Liebesromane lesen“. Darlington Hall braucht Personal. Stevens möchte Miss Kenton, die nach einer Heirat wieder frei ist, zurückgewinnen. Auf der mehrtägigen Reise zu ihr – und zu sich selbst -, nimmt Stevens erstmals die Naturschönheiten seiner Heimat bewusst wahr.   Er hat nun auch Zeit für philosophische Gedanken und wehmütige Erinnerungen. Beim Wiedersehen mit der früheren Miss Kenton muss Stevens erfahren, dass sich seine Hoffnungen nicht erfüllen. Ob von seinem Tage trotzdem noch etwas übrigbleibt?

Kazuo Ishiguro widmet sein Buch vorwiegend dem Butler Stevens und seinen Berufskollegen mit der gleichen Einstellung zu Würde und Pflicht. Der geschichtliche Teil mit den Geschehnissen aus der Zeit des zweiten Weltkriegs macht das Werk vollständig.

Kazuo Ishiguro, «Was vom Tage übrig blieb», 288 S., CHF 16.90, München 2016

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