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Vorbereitung

Autorin: Annemarie Golser, terzExpertin

Grosse Ereignisse schaffen jene Unterbrüche im Alltag, die unser Leben spannend machen. Wochen und Monate vor dem besonderen Tag ist in uns Vorfreude oder auch Vorangst.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Manchmal geht es nicht ohne Hektik. Vor der Reise etwa, vor dem Umzug, vor dem Konzert. Wir können dieses Warten aber auch positiv als eine Zeit der Besinnung erleben.
Vor der Matura erschien der Sohn jeweils frühmorgens mit Heften und Büchern beladen
aus seinem Zimmer und installierte sich in meiner Nähe. Das leise Bangen vor der entscheidenden Prüfung prägte sein Verhalten. Er redete kaum über seine Ängste. Wir sprachen überhaupt wenig, und wenn wir sprachen, so wählten wir beidseitig freundliche Worte. Ich vermied behutsam alles, was ihn in seiner Konzentration auf den vor ihm liegenden Stoff hätte beeinträchtigen können. Ich verzichtete auf Telefonate, die bei mir immer die Gefahr von Lachsalven mit sich bringen. Ich wagte kaum, den Staubsauger zu betätigen. In dieser Stille, die auch nicht durch die sonst übliche musikalische „Morgenmixtur“ aus dem Radio gestört wurde, gedieh etwas, das in all den Jahren der normalen Ablösung selten mehr zwischen Mutter und Sohn zustande gekommen war: Die Vertrautheit und Innigkeit der ersten Jahre. Jenes wortlos die Hand des anderen Ergreifen, wenn sich etwas Bedrohliches nähert.
Und wenn der Dichter sagt, dass „grosse Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen“, so möchte ich aus Erfahrung behaupten, dass die Vorbereitungszeit – eben auch der Advent – oft lichtvoller empfunden wird als das eigentliche Ereignis.

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