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Vom Abschiednehmen

Autorin : Annemarie Golser, Redaktion terzOnlinemagazin

„Partir, c’est toujours mourir un peu“! Dieses Wort vom „kleinen Sterben“ wird dem französischen Dichter Edmont Haraucourt zugeschrieben, und er meint auch, dass wir bei jedem Abschied etwas von uns zurücklassen müssen. „On laisse un peu de soi-même“.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Der Sohn hatte in den Ferien sein Herz an ein fröhliches, unbeschwertes Mädchen verloren. In den Schmerz des Abschieds vom Ort so vieler Sommerfreuden mischte sich die Trauer, die Freundin, die bald ins Ausland verreisen würde, zu verlieren. „Es passiert mir nie mehr, dass ich so viel Gefühl für etwas aufwende, von dem ich weiss, dass ich es wieder hergeben muss“, beteuerte er mit der ganzen Weisheit seiner fünfzehn Jahre.
Bestimmt ist das Wissen um den Schmerz des Abschieds mit ein Grund für die Oberflächlichkeit und Rastlosigkeit unserer Zeit. Sollen wir aber wie den körperlichen Schmerz auch den seelischen Kummer zu vermeiden suchen? Das würde ja den Verzicht auf jede tiefere Bindung bedeuten.
Unsere Natur spielt der Vernunft hier einen Streich. Die Menschen sind nun einmal so beschaffen, dass sie immer wieder ihre Gefühle in vergängliche Dinge investieren. Es beginnt beim Teddybären, der geliebt wird, bis die Späne aus seinem durchgescheuerten Bauch rinnen; dem Weihnachtsbaum, der nach ein paar glücklichen Tagen dürr und kahl entsorgt werden muss; bei der Rose, die heute zur Freude blüht und morgen welkt. Es sind wohl die vielen kleinen „Tode“, die uns auf den letzten grossen Abschied vorbereiten sollen.

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