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Verantwortung

Autorin: Ruth Meyer Schweizer, terzExpertin | Foto: iStockphoto

Für die terzStiftung gehören Selbstbestimmung und Eigenverantwortung unbedingt zusammen: Wer beansprucht, frei über sich zu bestimmen, der muss auch die Verantwortung für seine Entscheidungen tragen. Die terzExpertin und emeritierte Hochschullehrerin Prof. Dr. Ruth Meyer Schweizer macht hier Anmerkungen zu diesem komplexen Thema.

Verantwortung

Verantwortung

„Verantwortung ist die als Pflicht anerkannte Sorge um ein anderes Sein“, wie sie der deutsch-amerikanische Sozialphilosoph Hans Jonas in seinem nach wie vor höchst lesenswerten Buch „Das Prinzip Verantwortung“ (1979) sehr schön umschreibt. Objekt der Verantwortung können andere Personen, Sachen, oder auch das eigene Ich im Sinne der Selbst- oder Eigenverantwortung sein. Verantwortung ist immer auf ein als moralisch richtig erkanntes Handeln und damit auf die Zukunft ausgerichtet – selbstverständlich basierend auf vielschichtigen geschichtlichen Erfahrungen. Selbst- oder Eigenverantwortung ist dabei nur analytisch trennbar von Fremdverantwortung: Handeln (oder Unterlassen) hat in jedem Fall und unabdingbar wechselseitige Rückwirkungen. Das ergibt sich aus der conditio humana.

Prof. Dr. Ruth Meyer Schweizer

Prof. Dr. Ruth Meyer Schweizer

Kehrseite von Freiheit
Verantwortung im modernen Verständnis des Begriffs ist die moralische Kehrseite von Freiheit in einer stark individualisierten, säkularisierten, globalisierten und hoch technisierten, aber unübersichtlichen Wissensgesellschaft, in der auch die Frage nach den unbeabsichtigten Folgen individuellen und gesellschaftlichen Handelns ständig neu gestellt werden muss. In diesem Zusammenhang verändert sich die Reichweite der Verantwortlichkeiten des modernen „homo mundanus“ (W. Welsch) ins buchstäblich Unermessliche und vielfach Ungewisse. Das führt immer wieder auch zur schwierigen Forderung nach verantwortungsvollem Verzicht auf hier und jetzt Mögliches.

Auf spezifische Sachverhalte bezogen
Unter diesen modernen Gegebenheiten werden Verantwortungszumutung und Verantwortungsübernahme zu einem komplexen Problem. Die heute ständige und meist sehr allgemeine, häufig interessengebundene Rede von Verantwortung droht zur Leerformel zu verkommen, wenn nicht gefragt wird, auf welche spezifischen Sachverhalte sie sich jeweils bezieht. Die Möglichkeit zur wirksamen Übernahme von speziellen Verantwortlichkeiten hängt ab ebenso von Wissen, aber auch Gefühlen wie von äusseren Gegebenheiten, darunter auch positiven Anreizen. Sie unterliegt damit ständigen Lernprozessen, und diese sind nicht allen Gesellschaftsmitgliedern in gleicher Weise zugänglich. Zulässig ist sicher die moralische Forderung, dass, wer diesbezüglich privilegiert ist, auch mehr Sorgepflichten zu verantworten hat. Das gilt nicht zuletzt auch für das sehr diffuse Konzept der Selbstverantwortung und den Bereich sogenannt freiwilliger Betätigungen.

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Ilse Czamek
5. März 2013 19:24

Grosse Worte – sie bewirken bei mir ein Gefühl, als fühle sich die Autorin selbst nicht betroffen, nur andere sind sich offenbar ihrer Verantwortung nicht bewusst….
Wieso sollte nicht jedem ‚Gesellschaftsmitglied‘ der Zugang zu diesbezüglichen Lernprozessen zugänglich sein? Dazu braucht es weder Uni noch Fachhochschule – im Gegenteil, die gibt es gar nicht; ‚learning by doing‘ passiert in jedem Augenblick bei jedem Lebewesen, wenn es dazu bereit ist.
Dass ein älterer Mensch aufgrund seiner Erfahrung mehr Verantwortung beweisen sollte als Jüngere, sollte logisch sein. Mir kommt manchmal vor, viele unserer Generation haben sich im Erwerbsleben so verausgabt, dass sie sich jetzt die Freiheit nehmen, sich wie Greenhorns zu verhalten, will heissen „mein Name ist Hase, ich weiss von nichts“, oder – noch schlimmer – „nach mir die Sintflut“. Deshalb muss man sehr wohl unterscheiden zwischen den Ausgelaugten und den Fitten, nicht jede/r bringt noch die Energie auf, sich im heutigen ver-rückten Leben auch nur gegen dynamische, trainierte, smarte Jung-Senioren (50-) durchzusetzen, geschweige gegen die eigentlichen dPower-Junioren.
Wer aber seine Energie für ’sogenannte freiwillige Betätigungen‘ einsetzt, macht das in der Regel verantwortungsvoll; ich traue das sogar z.B. dem Präsidenten eines x-bliebigen Vereins in der Schweiz zu, obwohl der meist nur repräsentiert und für den Kleinkram seine Vorstands-Crew hat.
Ob Pensionisten, die dank ihrer komfortablen Rente ‚in der Weltgeschichte‘ herumreisen – egal ob mit Auto, Flugzeug oder E-Bike -, verantwortungsvoll gegenüber unseren Nachkommen handeln, darüber lässt sich streiten.