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Annemarie Golser

Annemarie Golser

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Wie habe ich in meiner Kindheit die Waschtage geliebt. Zur Unterstützung meiner Mutter kam Frau Bircher – nicht die vom Müesli! – und fuhrwerkte resolut und gut gelaunt mit Zuber, Stössel und Waschbrett.

Frau Bircher hatte eine Vorliebe für Opernchöre, und ihre Gesänge erfüllten zusammen mit den Dampfschwaden das ganze Haus.
Als Familienfrau konnte ich später auf diese Waschküchen-Romantik verzichten und schätzte die maschinelle Hilfe. Die Automatisation nahm ihren raschen Verlauf. Sie brachte nicht nur Segen. Gerade im Alter zeigen sich die negativen Seiten. Eile ist nun angezeigt. Der ältere Herr vor mir beim Bancomaten wirkt ratlos. Das Gerät spucke weder das Geld noch die Karte aus. Es ist Sonntag, die Bank geschlossen. Meine Hilfe kommt per Handy und Hotline. Die Karte werde eingezogen, wenn der Kunde den Code zu langsam eingebe. Das bedeutet also unverrichteter Dinge nach Hause gehen und anderntags auf der Bank vorstellig werden. Die Niederflurwagen der Vorortsbahn gestatten ein bequemes Einsteigen. Wird der unterste Tritt aber nicht sofort belastet, schliessen sich die Türen augenblicklich. Gerade ältere Personen fürchten, eingeklemmt zu werden. Wer vor der Rolltreppe zögert, wird oft unsanft von der ungeduldigen Jugend beidseitig überholt. In der Einstellhalle ist es nicht ratsam, sich zu lange mit seinem Wagen zu beschäftigen. Weil der Licht-Zeitschalter aus Spargründen nur auf kurze Fristen programmiert ist, steht man urplötzlich im Dunkeln und muss sich mühsam zum rotleuchtenden Hilfeknopf vortasten.
Die ärztliche Ermahnung zur Entschleunigung im Alter ist eigentlich überflüssig. Denk- und Handlungsabläufe werden mit den zunehmenden Jahren automatisch langsamer. Nur die Automaten scheinen das nicht zu wissen.

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