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Sterbehilfe wohin?

Autorin: Margareta Annen-Ruf, terzExpertin

Laut Prognosen wird die Lebenserwartung, die sich seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts bei Männern und Frauen in unserm Land fast verdoppelt hat, weiter ansteigen. Gleichzeitig rückt das Thema Sterbehilfe vor allem bei älteren Menschen immer mehr ins Blickfeld des Interesses.

So istnicht nur die Zahl der Sterbehilfeorganisationen auf heute 5 gestiegen, sondern sie verzeichnen auch einen wachsenden Mitgliederzulauf. An der Mitgliederversammlung von EXIT vom 24. Mai 2014, im (über)voll besetzten Saal des Hotels Marriott in Zürich etwa war zu vernehmen, dass deren Mitgliederzahl im Vorjahr um rund 4000 Mitglieder auf einen Bestand von rund 73 000 gestiegen ist. Und es werden jeden Tag mehr. Ist der „Sterbehilfeboom“ nun ein Paradox oder die „logische“ Reaktion auf die Schattenseiten des in der Geschichte der Menschheit erstmaligen Phänomens der Langlebigkeit?

Der vermehrt geäusserte Wunsch, den Zeitpunkt des Sterbens selbst zu bestimmen hat Gründe, denn der Gewinn an Jahren ist nicht zwingend identisch mit einem Gewinn an Lebensqualität. Vielmehr ist er, vor allem in den letzten Lebensjahren, gekennzeichnet von oft einschneidenden Verlusten – und das weckt Ängste. Der Gedanke etwa, an Selbständigkeit – ein hohes Gut in unserer Gesellschaft – einzubüssen sowie vor allem die Kontrolle über seine körperlichen und geistigen Funktionen zu verlieren und damit von Drittpersonen abhängig zu werden, ist für viele Ältere unerträglich. Auch die ständig steigenden Kosten in Alters- und Pflegeheimen sowie abwertende Begriffe wie „Überalterung“, was soviel wie überzählig bedeutet, und das in Wort und Bild meist defizitär dargestellte Altersbild, tragen zur Option Altersfreitod bei, der nicht an ein bestimmtes körperliches Leiden geknüpft ist.

Hohe Zustimmung – offene Fragen
An der Mitgliederversammlung kamen in den Voten, die die Erweiterung des Zweckartikels befürworteten, diese Ängste deutlich zum Ausdruck. Die Forderung nach Selbstbestimmung und dem Recht auf einen würdigen Tod überwogen die kritischen bzw. ablehnenden Voten. Die Erweiterung des Zweckartikels (9.1.Art.2 Abs. 5) der Statuten:  „EXIT engagiert sich für den Altersfreitod und setzt sich dafür ein, dass betagte Menschen einen erleichterten Zugang zum Sterbemittel haben sollten“, wurde denn auch praktisch einstimmig angenommen.

Trotz dieser hohen Zustimmung und obwohl die EXIT-Präsidentin Saskia Frei versicherte, dass auch mit dieser Neuerung die bisherigen Kriterien – u.a. rechtlich, medizinisch, in Gesprächen mit den Betroffenen – für einenAltersfreitod, auch ohne dass er an bestimmte Leiden gebunden ist, erfüllt werden müssten, löst die Lockerung der Sterbehilfe einige Fragen aus. Die Zielvorgaben Wachstum, um auf eine bis dahin diesem Anliegen gegenüber wenig geneigte Politik Druck ausüben zu können oder Hinweise auf die in diesem Bereich tätige Konkurrenz die „nicht schlafe“, befremden und verstärken diese Bedenken.

Mit Liberalisierung der Sterbehilfe ist jedenfalls eine breite Diskussion über die damit verbundenen gesellschaftspolitischen und ethischen Fragen sowie die Bedeutung des Begriffs Würde unumgänglich. Aber auch unsere Alters (betreuungs)politik ist zu hinterfragen. Die Gefahrist nicht auszuschliessen, dass schleichend und kaum bemerkt die Begrenzung des Lebensalters („Lebensalterslimite“), unabhängig von der individuellen Befindlichkeit, schliesslich zur gesellschaftlich akzeptierten Norm wird. Daran erinnern Stimmen, die die politischen Rechte der Älteren infrage stellten, weil sie deren Urteilsvermögen bezweifelten und Stimmen, die zur Sicherung der AHV die Idee einer Alterslimite 80 lancierten.

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