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Sterbehilfe für gesunde Alte?

Autorin: Margareta Annen-Ruf, terzExpertin

Die 1982 gegründete Sterbehilfeorganisation „Exit“ möchte den Altersfreitod auch gesunden alten Menschen ermöglichen. Das wirft Fragen auf zum Alter in unserer Gesellschaft.

Die Basilika-Zisterne weist mit ihrem hohen Alter auf Vergänglichkeit hin.

Die Basilika-Zisterne weist mit ihrem hohen Alter auf Vergänglichkeit hin.

Dank den Fortschritten in Medizin und Wissenschaft, die wesentlich zur Langlebigkeit beigetragen haben, können heute viele Krankheiten geheilt und chronisch Kranken zu mehr Lebensqualität verholfen werden. Gleichzeitig kann die moderne Medizin aber auch das Leben von Menschen, die an einer schweren, unheilbaren Krankheit leiden, fast beliebig verlängern. Die Forderung nach einem selbstbestimmten menschenwürdigen Sterben gab Anstoss zur Gründung von Sterbehilfeorganisationen.
Dazu gehört „Exit“, eine der weltweit ältesten und grössten Patientenverfügungs- und Selbsthilfeorganisationen mit rund 70 000 Mitgliedern in der Deutschschweiz und rund 20 000 Mitgliedern in der Romandie. Als Vereinigung für humanes Sterben fokussierte sich ihre Freitodbegleitung auf Schwerkranke und/oder an einer schweren Behinderung leidende Menschen. Neu zieht Exit nun auch die Freitodbegleitung für gesunde alte Menschen in Betracht. Im Vorfeld der Generalversammlung vom 24. Mai 2014, an der diese Frage auf der Traktandenliste steht, führte Exit eine Mitgliederumfrage dazu durch. Das Resultat: 90 Prozent, das sind 8000 Mitglieder, stimmten dem Altersfreitod auch für gesunde Alte zu. Die hohe Zustimmung wird allerdings relativiert, indem lediglich 12 Prozent an der Umfrage teilgenommen haben!

Wird ein Präjudiz geschaffen?
Abgesehen davon, dass in modernen Staaten das Selbstbestimmungsrecht zu den wichtigsten garantierten Grundrechten gehört, einschliesslich des Rechts auf selbstschädigendes Verhalten, ist nachvollziehbar, dass (alte) Menschen die nur noch dank der High-Tech-Medizin am Leben bleiben, dieses Grundrecht für den eigenen Tod wahrnehmen wollen. Dass jedoch viele alte Menschen den Freitod auch für gesunde Ältere befürworten, wirft die Frage nach dem: Warum? auf.
Neben persönlichen Gründen wie etwa Verlust des Partners/der Partnerin, sind sie auch im gesellschaftlichen Umfeld zu suchen. Darauf weist etwa die Tatsache hin, dass gesellschaftliche Faktoren mitverantwortlich sind für die steigende Zahl suchtabhängiger Senior/-innen.
So hat allen Bekenntnissen von Politikern bzw. Verantwortlichen zu den Kompetenzen des Alters als Gewinn für die Gesellschaft zum Trotz, das Alter in unserer vom Jugendkult dominierten, durchökonomisierten Gesellschaft nur einen geringen Stellenwert. Wissen und Erfahrung der Älteren sind nicht gefragt. Dieses nicht ernst genommen und gebraucht zu werden, verursacht bei vielen Älteren ein mehr oder weniger latentes Unbehagen. Kommt hinzu, dass aufgrund etwa des prognostizierten Pflegenotstands und steigenden Gesundheitskosten, für viele Ältere der Altersfreitod eine Option ist, um der Allgemeinheit einmal nicht zur Last zu fallen. Doch welche Signalwirkungauf die Gesellschaft hat umgekehrt ein Ja dazu an der Exit-Generalversammlung? Wird damit allenfalls ein Präjudiz geschaffen, das Solidaritätsprinzip zwischen Alt und Jung, Gesunden und Kranken infrage zu stellen?

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