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«Quo-Vadis» Alterspolitik?

Autor: René Künzli, Präsident der terzStiftung

Der demographische Wandel macht sich immer stärker auch im Fachkräftemangel bemerkbar. Die terzStiftung versteht sich als Interessenvertreterin für Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Sie nimmt mit zunehmender Besorgnis von der unguten Entwicklung in der Alterspflege Kenntnis. Sie warnt eindringlich vor einem akuten Mangel an betreuenden und pflegenden Fachkräften in der Altersarbeit und schlägt Lösungsansätze vor.  

Wir laufen in verheerende personelle Engpässe

Gemäss Bundesamt für Statistik zeigt sich diesbezüglich folgendes Bild: Während Ende 2013 29,1 Personen im Pensionsalter auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter entfielen, werden es Ende 2045 gemäss dem Referenzszenario 48,1 Personen sein. Das bedeutet, dass jeder Person im Pensionsalter nur noch ungefähr zwei Personen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen. Das hat gravierende Auswirkungen auf unsere Sozialwerke, insbesondere auf die AHV, die über das Umlagesystem finanziert wird. Noch stärker macht sich der demographische Wandel im Arbeitsmarkt bemerkbar und ganz besonders im Pflegebereich. Der Handlungsbedarf besteht schon lange, und die Verknappung spitzt sich dramatisch zu. Dazu kommt, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Lebenserwartung weiter ansteigen wird. Auch ist völlig unbekannt, wie stark die Singularisierung den künftigen Unterstützungsbedarf noch zusätzlich ansteigen lässt. Die bestehenden Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Ausbildung von Pflegefachkräften, ganz besonders bei der geriatrischen Langzeitpflege, werden sich noch massiv verschärfen.

Alter ist nicht sexy

Das Altersbild in der Öffentlichkeit ist stark revisionsbedürftig. Immer noch wird Alter mit vielen Defiziten verbunden, was der Wirklichkeit nicht entspricht. Ältere Menschen erbringen einen hohen und unverzichtbaren gesellschaftlichen Nutzen. Schätzungen gehen von jährlichen Transferleistungen von Alt zu Jung von 2 – 3 Milliarden Franken aus. Das verdient hohen Respekt, der aber nicht angemessen zum Ausdruck kommt. Vielmehr liegt der Fokus bei der «Alterslast», was das Bild völlig verzerrt.

Die Pflege alter Menschen hat, im Gegensatz zur Akutmedizin, fälschlicherweise ein negatives Image. Die fachlichen Anforderungen an die geriatrische Pflege werden massiv unterschätzt. Viele Pflegefachkräfte in der Langzeitpflege bestätigen das. Dazu kommt, dass der Pflegeberuf im Wettbewerb mit anderen Berufsgruppen einige Nachteile hat. Das sind u.a. unregelmässige Arbeitszeiten, Spät-, Nacht- und Wochenenddienste. Das hat negative Auswirkungen auf die privaten Kontakte, Mitgliedschaft in Vereinen und auf das familiäre Umfeld. Dazu kommt, dass die finanziellen Entschädigungen auch nicht besonders attraktiv sind. All dies hat schon früher zu Rekrutierungsengpässen geführt. Besonders bei wirtschaftlicher Vollbeschäftigung sind lukrativere Angebote im Markt zu haben. Wenn es heute schon ausserordentlich schwierig ist, die Stellen im ambulanten wie im stationären Bereich zu besetzen, wie erst wird das in den nächsten Jahren aussehen?

Digitalisierung und Robotik

Sicherlich werden sich in Zukunft dank Digitalisierung und Robotik einfachere Dienstleistungen durch Technik kompensieren lassen. In den Bereichen Sicherheit, Überwachung, Steuerung, Informationserhebung und -übertragung, Kommunikation und vielem mehr wird uns die Digitalisierung einiges abnehmen. Die Robotik wird im Transportbereich, beim Lastenheben, im Reinigungsdienst, bei einfacheren Arbeiten bei der Grundpflege oder im Service zur Selbstverständlichkeit. Doch bei der Behandlungspflege und ganz besonders bei der zwischenmenschlichen, wichtigen empathischen Interaktion wird es rote Linien geben. Wir werden auch im Jahr 2045 das futuristische, mitarbeiterlose Pflegeheim nicht haben – Gott sei Dank!

Was ist zu tun?

  1. Grössere Investitionen in die Altersforschung sind dringend erforderlich. Die Alterspolitik muss neue Vorhaben der Prävention, der Entwicklung neuer Dienstleistungen sowie neuer Arbeits- und Lebensformen für ältere Menschen fördern. Gegenwärtig wird in Innovationen im Alterssektor viel zu wenig investiert. In den Unternehmen muss ein Umdenken stattfinden:
  2. Ältere Mitarbeitende sind keine Last, sondern zumeist Kompetenzträger, loyale, verantwortungsbewusste, zuverlässige und wertvolle Mitarbeitende. Frühpensionierungen kann sich die Gesellschaft nicht mehr leisten.
  3. Das Alter wird zunehmend eine Lebensphase, die nicht mit Krankheit oder Rückzug gleichgesetzt werden kann. Aufgaben und Aktivität im Altern garantiert längere Gesundheit, höhere Zufriedenheit und Lebensqualität. Es braucht positive und angemessene Altersleitbilder.
  4. Die Gesetzgebung hat die Aufgabe, ältere Menschen vor Diskriminierung in Gesellschaft und Wirtschaft zu bewahren. Altersdiskriminierung ist ein Straftatbestand.
  5. Die Aufgaben der Altersarbeit sind anspruchsvoll. Sie verlangt hohe Qualifikationen, Engagement und Empathie. Altersarbeit verdient mehr Anerkennung und Wertschätzung. Sie muss gesellschaftlich und politisch aufgewertet werden.

Die terzStiftung engagiert sich mit ihren Aktivitäten für dieses dringend notwendige und wichtige Umdenken.

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