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Plötzlich allein

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Jahrelang galt es, fünf Esser zu verköstigen. Bei den Heranwachsenden unter ihnen kam Quantität vor Qualität. Nach dem Auszug der nunmehr Erwachsenen reduzierten sich die Portionen auf zwei Personen. Jetzt wurde vor allem die Qualität geschätzt. Es mussten Vorlieben eingehalten werden. Das Gemüse nicht knackig à la nouvelle cuisine, die Speisen immer möglichst heiss.

Unbarmherzig schlägt das Schicksal zu und plötzlich sitzt man allein am Tisch. Man hat gekocht, zwar mit wenig Begeisterung, aber eine warme Mahlzeit am Tag muss sein. Ansonsten geht die Waage erschreckend schnell via Untergewicht. Natürlich ist mit der einsamen Verpflegung die Tragik der neuen Lebenssituation nicht abgetan. Es sind auch nicht die praktischen Hilfeleistungen, die durch den Verlust des Partners wegfallen. Es ist durchaus möglich, das Altpapier selber zu bündeln, die Müllsäcke in den Container zu werfen, den Wasserstand im Keller abzulesen. Es sind die tristen Monologe auf den Alleingängen, für die man sich, der Gesundheit zuliebe, aufrafft. Die sinnlosen Fernsehabende ohne Gedankenaustausch, die aufsteigenden Ängste in schlaflosen Nächten. Wo einst Halt war, geht jetzt der Griff ins Leere. Es fehlt der Zuspruch, die Komplimente, ja sogar der Tadel. Wo kann ich jetzt meine innigen Gefühle deponieren? Da kommt auch die erschreckende Erkenntnis auf, dass sich jetzt alles um die eigene Person dreht. Auf dem Briefkasten steht nur noch ein Name. Selber entscheiden dürfen, nicht mehr teilen müssen. Wer will diese vielgepriesene Freiheit überhaupt und wer ist ihr gewachsen? Es war doch auch bequem, Verantwortung zu delegieren.

Die ältere Generation hatte in jungen Jahren nicht die Möglichkeit, das Alleinleben und -wohnen zu üben.

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Esther Eicher - Mani
31. August 2020 10:04

Finde es so gut geschrieben. Man weis das allein sein krank machen kann. Oder wenn man mit einem narzissten das leben teilte und dann allein ist, wie das ist. Die jährchen die man dann noch hat. Die fragen für was, oder jetzt muss ich, wenn nur noch das wort ich nur noch beteutung hat. Nach einem harten leben in erinerungen ist. Das ist schon offt ungerecht das leben.