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Nostalgie

Autorin: Annemarie Golser, terzExpertin

Vintage ist „in“. Die Jungen suchen in Brockenstuben und an Flohmärkten Mobiliar aus den 50er Jahren und tragen auf „echt alt“ gestylte, verwaschene Jeans.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Wir nannten die Vorliebe für Altes und Gebrauchtes noch „Nostalgie“. Das Wort steht für Sehnsucht, Heimweh, Wehmut. Ausgelöst wurde diese Welle angeblich durch erschreckende Zeitbilder und Zukunftsvisionen von ausgerotteten Wäldern und verseuchten Landschaften. Skeptiker sehen in dieser Modeströmung die Vorläuferin einer Gefahr. Drängt es die Menschen wirklich zum Altehrwürdigen, weil Werte bedroht sind?
Ein Dozent sprach in seinem Vortrag gar von einer „Krankheit der Wohlstandsgesellschaft“, einem Rückschrittsglauben, der den realen Fortschritt hemme. Er versuchte, der „guten alten Zeit“ die romantische Verklärung zu nehmen. Natürlich gibt es die ländliche Idylle oft nur auf Bildern, und die von uns bewunderten Gegenstände sind in mühsamer und schlecht bezahlter Arbeit entstanden. Das Leben war früher ganz klar beschwerlicher als heute. Nur schon die Kleidung war im Gegensatz zu unserer saloppen und bequemen Garderobe schwerfällig und einengend.
Trotzdem teile ich die Ängste der „Warner“ nicht. Für mich – und vielleicht auch für die Jungen mit ihrem Hang zu Retro und Vintage – ist Nostalgie ein Wiederbesinnen auf das Echte, der Wunsch nach Beständigkeit, ein Anerkennen des Handwerklichen, die Sehnsucht nach Verspieltem und Verträumtem und auch ein Netz über dem Abgrund der Zukunftsangst.

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