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Nachteilige Folgen aus negativen Altersbildern sind unerträglich

Autoren: Jürgen Kupferschmid und Dr. Thomas Meyer, beide Redaktion terzMagazin

Im persönlichen Gespräch mit einem Gönner wurden die Redaktoren des terzMagazins auf folgenden Fall aufmerksam, der sich Anfang 2010 ereignet hat:

Erstmals, seit dieser Gönner 1957 seinen Führerausweis erhalten hat, war er zu diesem Zeitpunkt in einen Unfall verwickelt. Der damals 83-Jährige beabsichtigte, eine Kreuzung zu überqueren, die von ihm wie auch von anderen Ortskundigen als gefährlich eingestuft wird. Die vorfahrtsberechtigte Strasse können Fahrzeuglenker nur sehr eingeschränkt überblicken, die Sicht ist zum Teil verdeckt. Strassenspiegel könnten Abhilfe schaffen, fehlen aber an dieser Stelle. Aus Ortskenntnis legt der Gönner vor dem Überqueren einen Sicherheitshalt ein. Er ist sich seiner erhöhten Vorsichts- und Sorgfaltspflicht also voll bewusst. Dennoch kommt es in der Strassenmitte zu einer Kollision mit einem überraschend auftauchenden vortrittsberechtigten Personenwagen. Dabei entsteht erheblicher Sachschaden.
Im Gespräch mit der Polizei reagiert der Gönner ruhig und besonnen. Er erkennt an, dass er sich im juristischen Sinn schuldig gemacht hat. Unverhältnismässig erscheint ihm dagegen, dass er aufgrund „grober Verletzung der Verkehrsregeln“ mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je CHF 60.–, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von 2 Jahren, bestraft wird. Zusätzlich zur Busse werden ihm Kosten und Gebühren auferlegt, sodass sich eine Summe von insgesamt CHF 1‘700.– ergibt. Weiter schlägt der Bezirksarzt eine vertrauensärztliche Untersuchung vor, nur 17 Monate nach der letzten regulären Fahreignungsuntersuchung durch seinen Hausarzt. Ohne Folgen bleibt dieser Unfall für das Strassenverkehrsamt: Ob Sichtspiegel den Unfall hätten verhindern können, ist nicht Gegenstand der Beurteilung und wird auch als Massnahme zur Unfallprävention nicht in Erwägung gezogen. Das Urteil erscheint ihm und uns sehr hart. Es stellt sich die Frage der Verhältnismässigkeit.

Hemmend wie motivierend
Seit unserem Aufruf im terzMagazin und im Zusammmenhang mit der sicher-mobil.ch-Kampagne sowie dank häufiger Veröffentlichungen in den Medien erhalten wir regelmässig Berichte über Fälle wie diesen. Obwohl die Fallbeispiele individuell sehr unterschiedlich gelagert sind, drängen sich doch häufig die gleichen Fragen auf: Fällen die Zuständigen aufgrund eines angemessen positiven Altersbildes verhältnismässige Entscheide, oder führen negative Altersbilder zu nachteiligen Konsequenzen? Altersbilder haben hemmende wie motivierende Rückwirkungen auf das Verhalten. Solche Altersbilder, die positive Aspekte des Alterns wie z. B. Kompetenzen, Erfahrungswissen und Urteilsfähigkeit herausstellen, können Handlungsspielräume für reifere Menschen eröffnen. Umgekehrt können Altersbilder, die Defizite hervorheben, die Zuständigen zu unangemessenen Reaktionen gegenüber Älteren verleiten. Sie können davon abhalten, objektiv bestehende Handlungsspielräume wahrzunehmen.

Länger körperlich und geistig gesund
Wir sind heute länger körperlich und geistig gesund als je zuvor. Da macht es keinen Sinn, von einer Defizitvermutung ab dem 50. Lebensjahr auszugehen. Das heute noch immer weitverbreitete defizitäre Altersbild von Entscheidungsträgern bedarf deshalb dringend einer Revision. Aus diesem Grund setzt sich terz aus Überzeugung dafür ein, das Aktivitäts- und Kompetenzmodell des Alters als Massstab zu nehmen.
Weil Begriffe unser Verhalten prägen, lehnen wir Ausdrücke wie z. B. „Ruhestand“ entschieden ab. Wer mit 65 Jahren pensioniert wird, der verfügt nicht nur über einen reichen Erfahrungsschatz, sondern hat auch noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von mehr als 18 Jahren als Mann und fast 22 Jahren als Frau. Soll sie oder er so viele Jahre im Stillstand verharren, sich nicht mehr im Strassenverkehr fortbewegen? Das berechtigte Interesse, die Sicherheit zu erhöhen, darf nicht zu einseitigen Erschwernissen bei der Mobilität von Älteren führen. Dies ist ein klarer Verstoss gegen das Gleichbehandlungsprinzip und deshalb für terz nicht hinnehmbar.

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