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Motorisierte Mobilität im Alter

Präambel
Menschen betrachten es als selbstverständlich mobil zu sein und mobil zu bleiben. Dies stellt einen wichtigen Pfeiler für Lebensqualität dar. Die Mobilität und damit die Lebensqualität soll durch Steigerung der Motivation für eine aktive, abwechslungsreiche und attraktive Alltagsgestaltung aufrechterhalten bleiben. Gleichzeitig soll durch sicherheitsbewusste und selbstkritische Betrachtung der eigenen Fertigkeiten an die Eigenverantwortung beim Autofahren appelliert werden. Motiviert und verantwortungsbewusst zu sein, heisst Geist und Körper mit Vitalität zu versorgen, was sich wiederum positiv auf eine sichere Verkehrsteilnahme auswirkt.

Motorfahrzeuglenkende

Grundlage
Massgebend ist die Verordnung über die Zulassung … zum Strassenverkehr in der Fassung vom 27. Oktober 1976. In Artikel 7, Abs. 3b der VZV wird das Alter zum Aufgebot von Senioren-Autofahrerinnen und –Autofahrern für die periodische ärztliche Kontrolluntersuchung vom vollendeten 70. Altersjahr verlangt.

Position der terzStiftung und von Top60-Thurgau

    1. Position (Mini)
      Die in Artikel 7, Abs. 3b festgelegte Altersgrenze für die periodische ärztliche Kontrolluntersuchung soll vom vollendeten 70. neu auf das vollendete 75. Altersjahr heraufgesetzt werden. (Parlamentarische Initiative von NR Maximilian Reimann im NR mit 97 Ja-Stimmen zu 82 Nein-Stimmen angenommen).
    2. Position (Midi)
      Variante Mini, jedoch ab dem vollendeten 75. Altersjahr erste ärztliche Kontrolluntersuchung und ab dem vollendeten 80. Altersjahr zweite ärztliche Kontrolluntersuchung und danach alle zwei Jahre.
      Flankierende präventive Massnahmen: Jede Motorfahrzeuglenkerin, jeder Motorfahrzeuglenker erhält ab dem 70. Altersjahr alle drei Jahre einen Gutschein für ein einstündiges Fahrtraining mit einem Fahrberater oder Fahrlehrer mit dem eigenen Auto.
      (Finanzierung: Die Strassenverkehrsämter verfügen über eine Kasse, die durch die Versteigerungen der Nummernschilder alimentiert wird).
    3. Position (Maxi)
      Wir fordern, dass der Artikel 7, Abs. 3b ersatzlos gestrichen wird.

Begründung
Die auf dem schweizerischen Strassennetz zirkulierenden älteren – über 70. Altersjahr – Automobilistinnen und Automobilisten werden im Rahmen der medizinischen Mindestanforderungen nicht einheitlich behandelt. Die schweizerischen Automobilisten werden ab dem vollendeten 70. Altersjahr ohne Aufklärung und ohne freien Willen einer obligatorischen ärztlichen Kontrolluntersuchung aufgeboten – sofern sie den Führerausweis behalten wollen. Gewisse Nachbarländer (Österreich, Deutschland, Frankreich) kennen ein solches Vorgehen nicht. Sie stellen ihre Rentner nicht unter Generalverdacht. Unsere Nachbarländer setzen auf die Eigenverantwortung der älteren Bevölkerungsgruppe. Selbstbestimmungsrecht oder auch Vernunft des Lenkenden wird dort als Mittel der Wahl betrachtet. Wissenschaftliche Arbeiten, welche dieses Selbstbestimmungsprinzip gegenüber der Bevormundung als praktikabler beurteilen, haben in den letzten Jahren stark zugenommen.Es mag auf den ersten Blick überraschen, dass Unfallrisiken von Senioren als Unfallverursachern in Ländern ohne obligatorische Kontrolluntersuchungen nicht höher, dafür teilweise tiefer liegen als in Ländern mit dem obligaten Verfahren. Aus ethischen, moralischen aber auch wirtschaftlichen Gründen müsste das Gegenteil der Fall sein. Doch auch in einer kürzlich veröffentlichten Studie mit Unfallzahlen von der Schweiz und Deutschland zeigte sich ein positiveres Bild für Deutschland, statt der Schweiz. Die Wirksamkeit der ärztlichen Kontrolluntersuchungen wird u.a. von dem Hirnforscher Prof. Dr. rer. nat. Lutz Jäncke, Psychologisches Institut – Lehrstuhl für Neuropsychologie, Universität Zürich und Dr. Dr. Gianclaudio Casutt verneint. Sie haben in Studien nachgewiesen, dass die praktizierte Methode für die Verkehrssicherheit nichts bringt. In ganz Europa stellt man sich die Frage der Evidenz der staatlich geregelten periodischen Fahreignungskontrollen bei älteren Fahrzeuglenkern, da sie wissenschaftlich als sehr umstritten betrachtet werden.Stossend ist auch, dass unser eigener Staat, der sich als liberal versteht, seine Bürgerinnen und Bürger, was die Beurteilung ihrer Fahrkompetenz anbetrifft, seit 40 Jahren für weniger mündig einstuft, als die drei Nachbarländer dies tun. Im staatspolitischen Bereich dagegen verfügen Schweizer Bürgerinnen und Bürger über weit mehr Rechte, Kompetenzen und Verantwortung als ihre ausländischen Nachbarn.Wie in der Präambel erwähnt, betrachten Menschen die Mobilität als selbstverständlich. Dies ist aber falsch. Mobilität heisst, auch Verantwortung und Pflichtgefühl zu tragen. Mit Sanktionen, wie der periodischen Fahreignungskontrolle, entfallen diese Tugenden. Die Verantwortung und das Pflichtgefühl werden schleichend auf den “Kontrolleur” übertragen, ohne dass dieser dies merkt. Ein gefährliches und die Verkehrssicherheit reduzierendes Modell. Dementsprechend sollte ein Staat zum Schutze seiner Bevölkerung gerade beim Älterwerden mehr an die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung im Kontext von verkehrssicherheitsrelevanten Pflichten, nicht jedoch an die Selbstverständlichkeit des Fahrens appellieren. Dort ist die Prävention am richtigen Ort!

Berlingen, 15. Februar 2016

René Künzli
Präsident der terzStiftung

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