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Mehr als nur ein Tier

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Annemarie Golser

Ich war dagegen. Nicht aus Rücksicht auf Vorhänge und Teppichfransen. Aus Rücksicht auf meinen Unabhängigkeitsdrang. Auf Jahre hinaus würde ein neues Lebewesen wieder meine Fürsorge brauchen. Das winzige Bündel, das mir eines Tages durch die Haustüre gereicht wurde – der Blondschopf des Juniors tauchte erst später auf – wog nur wenige Gramm, schien aber schon eine geballte Ladung Leben zu sein. Das Überraschungsgeschenk belastete mich bis in die Nacht hinein. Ich träumte von Katzen auf heissen Blechdächern und gestiefelten Katern. Anderntags meldete sich der Sohn etwas schuldbewusst. Er würde das Kätzchen auf meinen Wunsch wieder ins Tierheim zurückbringen. Als hätte ich das einzige Lebewesen, das sich frühmorgens schnurrend auf meine Füsse legte, wieder in die finstere Ungewissheit schicken können! Chrigi, eine Sie, blieb und wurde von allen mit Delikatkatzennahrung und Streicheleinheiten verwöhnt. Mit ihrer Zuneigung und Anhänglichkeit wuchs sie uns bald ans Herz.

Unsere Schöne ist längst im Katzenhimmel. Mit Nepomuk hat sie einen würdigen Nachfolger gefunden. Der pompöse Name ist die Erfindung ihres Besitzers, unseres Nachbarn. Der stolze Kater pflegt täglich auf unserem Gästebett bis zu fünf Stunden zu ruhen und zwar ohne Lockmittel unsererseits. Nur wenn sich fremde Personen im Raum befinden, zieht er sich beleidigt zurück. Bittet er einmal nicht mit Kratzen an der Türe um Einlass, sind wir in Sorge. Es ist wie Grosselternsein. Pflichten fallen weg. Es bleibt die Freude an dem sanften, liebenswürdigen Geschöpf.

„Gehen sie nach Hause und streicheln sie die Katze“. Ein gescheites Arztwort auf meine Klage über diffuse Beschwerden. Mein Nachwuchs ist mehr auf grosse Tiere eingestellt. Vor kurzem musste meine Enkeltochter von ihrer 28jährigen Stute Abschied nehmen. Bei Eika hat sie jeweils ihre Teenager-Probleme deponiert. Keine Arbeit mit dem Pferd war ihr zu viel.
„Ich vermisse sie zutiefst. Sie hat mich gelehrt, was Liebe ist. Der Weg ohne sie fällt mir schwer“. Das häufig als Trost gemeinte Wort „Es war ja nur ein Tier“, erträgt meine Enkelin nicht.

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