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Lektüre für das Seelenheil

Autorin: Annemarie Golser

Die Erzeugnisse der Regenbogenpresse waren in unserem Haushalt eigentlich verpönt.

Lektüre für das Seelenheil

Lektüre für das Seelenheil

Trotzdem blieben wir nicht ganz ohne Informationen über das Leben der Schönen und Reichen. Grossmama versorgte uns nämlich im Kampf gegen die Verschwendung mit den bunten Magazinen, die sie zum Teil abonniert hatte. Die Jungmannschaft stürzte sich jeweils nach dem grossmütterlichen Besuch auf die „Tschibum-Heftli“. In Anbetracht der Tatsache, dass die vielfältige Presselandschaft durchaus auch Lesenswertes zu bieten hat, liess ich sie gewähren. Zur allgemeinen Erheiterung konnte es sich unsere Spenderin nicht verkneifen, einzelne Beiträge handschriftlich mit einem belehrenden Kommentar zu versehen. In einer Reportage über einen löblichen Lebenswandel stand etwa ein „Bravo“, beim verwerflichen Tun ein „Pfui“.

Überholte Aktualität
Das Schicksal will es, dass wir wieder in den Genuss besagter Lektüre kommen. Eine Nachbarin überlässt uns, was vor zwei, drei Monaten aktuell war. Nichts vermag die Vergänglichkeit besser zu dokumentieren, als alte Zeitschriften. Die Babybäuchlein der werdenden Promi-Mütter sind schon wieder flach, die Turteltauben aus der Homestory turteln längst getrennt, der gefeierte Jubilar ist in der Zwischenzeit verstorben, die Vorzeigefirma steht heute vor der Pleite. Der Siegeskranz für den favorisierten Sportler ziert ein anderes Haupt.
Tröstlich ist, dass sich vieles in den paar wenigen Wochen auch zum Guten gewendet hat: Der ausgebüxte Teenager ist wieder an den häuslichen Herd zurückgekehrt, Paare haben sich versöhnt, auf der Brandruine ist bereits ein neues Haus in Arbeit. Manche Panikmache erweist sich als unbegründet: Weissagungen, die Ängste schürten, haben sich glücklicherweise nicht erfüllt.

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