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Le Röstigraben existe

Annemarie Golser

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Mit grossem Hallo werden die Gäste aus der Westschweiz am Familienfest in Bern begrüsst. Ihnen zu Ehren wird mit viel Gefühl die allseits bekannte Hymne der Romandie angestimmt: La haut sur la montagne. Später gestehen die Geehrten, sie hätten sich über das langsame Tempo des Gesangs und den Akzent à la bernois mokiert.
Da kommt wieder einmal ein Hieb an die schwerfälligeren Miteidgenossen. Ein Beispiel dafür, dass die Vorurteile immer noch bei Alt und Jung in den Köpfen unserer Nachbarn diesseits der Saane verankert sind. Es wird gar noch die Geschichte bemüht. Im Hinblick auf das Geschehen im 2. Weltkrieg im nördlichen Nachbarland, sei Deutsch im französischsprachigen Landesteil lange Zeit verpönt gewesen und auch nicht Schulstoff. Den Röstigraben gibt es also auch im 21. Jahrhundert immer noch und nicht nur, wie angenommen wird, im politischen Bereich bei Abstimmungen. Haben wir Deutschschweizer zu dieser Überheblichkeit beigetragen? Wir bewundern die Romands für ihren Charme, ihre Lockerheit, ihre Lebensfreude und Eleganz. Womit können wir auftrumpfen? Dass wir flächenmässig grösser sind, ist nicht unser Verdienst. Viele Werte sprechen aber für uns: mehr Umweltbewusstsein und mehr Verkehrssicherheit, Ordnung im Staatshaushalt, bessere Ergebnisse in Mathematik und Naturwissenschaften in der Pisa-Studie, Fleiss, Zuverlässigkeit. Für all das verdienten wir statt Spott, Respekt und Anerkennung.
Nichts gegen eine währschafte Berner-Rösti! Die Romands kennen das Gericht übrigens als „pommes de terre fricassées“ ebenso lange wie die Deutschschweizer. Vielleicht nicht unbedingt zum Frühstück, wie das in bäuerlichen Kreisen in unserer Gegend früher üblich war.

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