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Kleine Schummeleien

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Annemarie Golser

Es gab eine Zeit vor der Kreditkarte. Man bezahlte mit Banknoten und Münzen. Schon ein Fünfrappenstück wurde geschätzt. Jedenfalls von uns Kindern, die wir damals doch immer wieder auf der Strasse etwas Glänzendes fanden. Etwa beim Viehmarkt, vor der Post oder der Bank. Eine Frankenmünze war eine Sensation, wurde sofort behändigt – und kein Gedanke an den Verlierer verschwendet.

Mit einem Taktfahrplan von fünfzehn Minuten hetzt niemand mehr auf den Bahnhof. Auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Unser Vorortszug, der Farbe wegen liebevoll Mandarinli genannt, steht zur Abfahrt bereit. Der Reiz ist da, in letzter Minute noch aufzuspringen. Zufrieden über die gewonnene Zeit sitze ich entspannt da. Plötzlich dämmert mir, dass ich vergessen habe, meine Mehrfahrtenkarte abzustempeln. Nervenflattern während der nächsten zwanzig Minuten auf der Fahrt in die Hauptstadt. Kann es sein, dass ausgerechnet heute eine der eher seltenen Kontrollen stattfindet? Bei jeder Haltestelle mustere ich die Eintretenden besorgt nach Uniformen. Das Nötli für die Busse würde schmerzen. Peinlich auch die Blicke der Mitreisenden. Am Ziel dann die Erlösung und auch ein wenig die Genugtuung über diese Gratisfahrt.

Unsere Gemeindeverwaltung kündigt einen Wechsel im Abfallsystem an. Die gebührenpflichtigen Kehrichtsäcke wechseln von schwarz auf weiss. Haben doch immer wieder ein paar besonders schlaue Mitbürger die billigen schwarzen Säcke des Grossverteilers unter die offiziellen gemischt. Mit dieser Schummelei ist es jetzt vorbei. Weiss ist die Unschuld und schwarz die Sünde.

Der Knopf im Opferstock, die Tomate, die beim Einkauf noch zusätzlich ins bereits abgewogene Säckli kommt, kann man das alles als harmlose menschliche Schwäche hinnehmen – oder beginnt so der Betrug im grossen Stil, von dem wir tagtäglich erfahren?

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Trudy Cavegn
16. August 2019 10:59

Da kommt mir der Spruch meiner Eltern/Grosseltern in den Sinn: “ Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert“