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Im Alter verändern sich die Wünsche

Autor: Dr. Thomas Meyer, Redaktion terzMagazin | Foto: Immanuel Giel

Wer auch im hohen Alter noch Ziele verfolgt, der bleibt länger aktiv und gesund. Welche Ziele können verschiedene Menschen auf unterschiedliche Arten verfolgen und welche teilen wir fast alle? Was wünschen sich Jüngere und was Ältere?

Im Alter verändern sich die Wünsche

Im Alter verändern sich die Wünsche

Wer ein sehr salziges Nachtessen zu sich nimmt, der wird hinterher oft träumen, dass er am Verdursten ist, trinken muss oder schon viel Wasser trinkt. Hier nimmt der Traum vorweg, was nach dem Aufwachen erforderlich ist: den Durst zu löschen. Mit diesem Beispiel erklärt Sigmund Freud, weshalb er den Traum eine „Wunscherfüllung“ nennt. Wünsche, die wir alle teilen und die doch fast nie auf Dauer in Erfüllung gehen, sind die nach Frieden und nach Gesundheit. „In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat“, spielen viele Märchen – beispielsweise der Froschkönig, der auch mit diesen Worten beginnt.

Greifbare Gegenstände haben wollen
Der Bagger, den sich der kleine Junge zum Geburtstag oder zu Weihnachten wünscht, ist eine sehr konkrete Sache. Er weiss genau, ob es sich um einen Bulldozer, einen Radlader oder einen Schaufelbagger aus Plastik oder aus Holz handeln muss. Die Dringlichkeit seines Wünschens ist denkbar hoch. Sie wird vielleicht nur übertroffen von der später einsetzenden Leidenschaft des Sammlers, der sich nicht irgendeinen Oldtimer wünscht, sondern einen Jaguar E-Type Baujahr 1961 als Roadster mit Reihensechszylinder-Motor. So ein Wunsch muss mit der Hoffnung auf Erfüllung verbunden sein, ansonsten handelt es sich von vornherein um eine Illusion, einen Tagtraum oder Selbsttäuschung.
Von den Tagträumen, die keine Flucht aus der Wirklichkeit sind, handelt „Das Prinzip Hoffnung“ von Ernst Bloch. Bei ihm richten sich Wünsche auf Veränderungen der sozialen und politischen Wirklichkeit. Das Hauptthema Blochs ist die Utopie. Der Schweizer Architekt, bildende Künstler und Designer Max Bill hat diesen Grundgedanken in die Skulptur der endlosen Treppe umgesetzt.

Reifen heisst auch, sich beherrschen
Im Alter verändern sich die Wünsche. Man gibt nicht mehr jeder Verlockung nach, hat gelernt, sich zu beherrschen. Es bedeutet keinen Verzicht, nicht sofort alles zu kaufen, was man vor sich sieht, keine Entsagung: Den Konsum zu dosieren fällt mit dem Reiferwerden leichter. Gewiss, manche Sammelleidenschaft hält ein Leben lang an, wird zur zerstörerischen Passion, beherrscht das ganze Denken bis zuletzt. Fritz Schlumpf, der ein Textilimperium vernichtete, indem er Hunderte von Luxus-Oldtimern, bevorzugt Bugattis, aufkaufte, lieferte ein Beispiel dafür. Die Ziele, die sie sich selbst gesteckt hatten, sind bei fast allen anderen im achten Lebensjahrzehnt erreicht oder verfehlt – jedenfalls treten sie meist in den Hintergrund. Wünsche für sich selbst beziehen sich häufig auf Jubiläen, die man mit dem Partner noch erleben möchte: die Goldene Hochzeit, dann vielleicht die Eiserne oder sogar die Gnadenhochzeit – siebzig gemeinsame Ehejahre.
Die Teilnahme am Leben der jüngeren Generationen wird wichtiger. Für gewöhnlich richten sich die Wünsche in reiferen Jahren derart weniger auf Gegenständliches und mehr auf Ideelles: die Matura des ältesten Enkelsohns zu erleben, die Konfirmation des jüngsten, vielleicht die Hochzeit der Enkeltochter. Wer aus der „Grosseltern“-Generation stammt, freut sich darauf, Jüngere beschenken zu können oder mit ihnen zusammen zu sein. Jugendliche denken eher noch zunächst an sich, wenn sie sich etwas wünschen.

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Ilse Czamek
13. April 2013 23:44

Ja – und was machen die Nicht-Grosseltern? In meinem Umfeld gibt es verschiedene Varianten:
Diejenigen, die sich in soziale Projekte stürzen – je nach Bedürfnis mit Kindern, um das Manko aufzufüllen -,
diejenigen, die eifrig dran arbeiten, sich zu profilieren, sei es in Politik, Wirtschaft, Pfarrei oder auch Sport,
leider auch diejenigen, die (vor allem weil der Kinderwunsch unerfüllt blieb) resignieren, sich mehr oder weniger gehen lassen und als Erste professionelle Betreuung brauchen.
Als immer noch unruhige Frau ohne Anhang stehe ich selbst heute vor dem Problem, wo ich meine Patientenverfügung deponieren soll, früher war es die Personalakte des Arbeitgebers. Ein aktiver Ruhestand kann genauso einen Domizilwechsel zur Folge haben wie das moderne Berufsleben. Ich würde es sehr begrüssen, wenn es in der Schweiz auch eine Stelle gäbe, wo die Wünsche für das Lebensende registriert und zentral abgefragt werden könnten. In Deutschland bietet das z.B. die Hospiz-Stiftung mit der Registrierungsstelle in Berlin an, doch nehmen sie keine ausländischen Klienten an, und vermutlich wären Kommunikation und Koordination im Ernstfall kompliziert. Es wird sich eine Lösung finden.
Unter den Grosseltern gibt es auch solche, denen das Zusammenleben mit den Enkeln nicht möglich ist – selbst verursacht oder nicht -, und wenn das möglicherweise Witwen sind, die sich ihr Leben lang nur um die Famillie gekümmert haben, wird das Ruhestands-Dasein viel jammervoller als bei ehemaligen Berufsfrauen. Häufig sind die lieben Mütter so ausgelaugt, dass sie froh sind „endlich ihre Ruhe zu haben“, dabei aber den Kontakt zur Umwelt immer mehr verlieren und auch selbst nicht mehr gefordert werden. Sie funktionieren klaglos – und „dementieren“ langsam aber sicher, will sagen gleiten langsam aber sicher in die Demenz. Wenn sie Glück haben, endet ihr Leben vor dem Heimaufenthalt; denn das ist das Schlimmste, was ich mir für einen alten Menschen, der sein Leben anständig verbracht hat, vorstellen kann. Abgesehen davon, dass wir absolut zu wenig Pflegepersonal haben und diese Arbeit extrem belastet, was sich auf das Verhalten gegenüber den Patienten auswirkt, sorgt die heutige Medizin auch dafür, dass diese unangenehme Situation umso mehr an Quantität zunimmt, desto weniger Lebensqualität vorhanden ist. Der demente, abhängige Patient kann sich ja überhaupt nicht mehr gegen eine künstliche Lebensverlängerung wehren.
Mit Erstaunen habe ich Wikipedia entnommen, dass der hippokratische Eid jetzt nicht mehr geleistet werden muss. Zwar haben wir meiner Meinung nach seiner Interpretation zu verdanken, dass die meisten Ärzte sich so vehement dagegen wehren, einem Menschen seinen natürliches Lebensende zu gönnen. Andererseits wäre mir einiges wohler, in jedem Wartezimmer statt des üblichen Qualifikationsnachweises die handgeschriebene Erklärung des Arztes zu finden, dass er sich zumindest diesem Eid verpflichtet fühlt und ihm der Patient wichtiger ist als der medizintechnische Fortschritt (oder sein Umsatz…).
Mir sträuben sich sämtliche Haare wenn ich miterleben muss, was gerade mit älteren Frauen angestellt wird, die weder gelernt haben, auf ihren Körper zu hören, noch den Mut finden, sich gegen die (An-)Weisungen des Arztes zu wehren oder sie auch nur zu hinterfragen; ganz abgesehen von der mangelnden Ausbildung über den eigenen Organismus. Es hilft nichts: solange die Schulbildung nicht das menschliche (Er-)Leben, sondern irgendwelche andere existenzielle Ziele verfolgt, wird das von Generation zu Generation falsch weiterlaufen – und immer extremer. Das ‚Bauchgefühl‘ der früheren Generationen geht verloren, wenn man sich nur an die Profis hält, und die Abhängigkeit wächst.
Kommt noch das Thema „Finanzierung“ dazu. Bei uns ist es so selbstverständlich, dass ein/e Rentner/in mit 1. und 2. Säule so gut versorgt ist, dass er/sie sich nahezu alles leisten kann, vor allem in Sachen Behandlung. Im Resonanz-Forum habe ich einmal die Frage aufgeworfen, wer mir einen Tipp geben kann, wie ich als Alleinstehende – notabene ohne Busenfreundin – günstig zur „Fellpflege“ komme. Die einzige Reaktion war die eines Ehepaares, das zu diesem Zweck zur Dermatologin geht… Sie könnten es also selbst machen und können es sich stattdessen leisten, für solche Peanuts den Selbstbehalt aufzuwerfen. Auch wenn es genug Typen gibt, die der Meinung sind, jede/r selbst schuld, die/der keine Pension hat und mit der AHV auskommen muss – das ändert nichts an der Tatsache, dass vor allem Familienfrauen mit dem Alterseinkommen immer zu kurz gekommen sind, wenn der Haushaltsvorstand nicht die Möglichkeit (oder das Verständnis) hatte, vorzusorgen. Nicht überall haben die Kinder die Möglichkeit, ausgleichend zu wirken. Und wir stehen wieder vor der Tatsache, dass gerade der Mensch, der sich vorbildlich um andere gekümmert hat, sich im Altenteil bescheiden soll.
Für mich wäre das Solidarität, dass diejenigen, die dank langjähriger Firmenzugehörigkeit und Arbeitgeberbeitrag – durch mehr oder weniger eigenes Zutun – heute ‚im Geld schwimmen‘, sich um die kümmern, die vor allem für den Fortbestand der Nation gesorgt haben und jetzt darben müssen. Schön wäre es, wenn die terzStiftung einen entsprechenden Pool einrichten oder einen Fonds auflegen könnte! Das wäre auch gelebte Nachhaltigkeit, und die Eco-Bank (www.abs.ch) würde sicher gern Hilfestellung leisten.
Zum Abschluss und zur Entspannung: Kann mir jemand den Zusammenhang zwischen und erklären?

Ilse Czamek
13. April 2013 23:49
Reply to  Ilse Czamek

Nanu – der Schluss-Satz wurde kupiert. Es geht um den Zusammenhang zwischen „Demenz“ und „Dementi“…