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Freundschaft ist Liebe ohne Flügel

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Diese beglückende Beziehung zwischen Menschen beiderlei Geschlechts und Alters kann auf einiges verzichten, wovon die Liebe lebt; sie ist auch dort möglich, wo Liebe unmöglich ist; sie wärmt, wo Liebe verbrennt. Sie ist geduldiger, anspruchsloser, genügsamer. Sie braucht weder Faszination, noch Schönheit oder Reichtum, sie ist ausschliesslich auf die gleiche Sprache der Seele angewiesen. Es ist tröstlich zu erfahren, dass wir im Alter nicht nur Verluste hinnehmen müssen, sondern auch auf neue Bindungen hoffen dürfen.

Brief an eine späte Freundin

Liebe Bärbel

Vor vier Jahren bist du zum erstenmal an einer Probe des Seniorenchors erschienen.  Mich amüsierte, wie vehement Du darauf beharrtest, dass Du wirklich so angesprochen werden möchtest, wie es in Deinem Geburtsschein steht und nicht etwa mit Barbara. Dein offenes, ehrliches, humorvolles Wesen gefiel mir auf Anhieb. Wir entdeckten bald eine Seelenverwandtschaft, viele  Übereinstimmungen, die für eine funktionierende Beziehung wichtig sind. Massgebend war nicht nur das gemeinsame Schicksal als Familienmutter und Berufsfrau, vielmehr die gegenseitig gleiche Einstellung zu den grossen Fragen des Lebens. Es tönt schon fast pathetisch, wenn ich davon schwärme, dass wir auch kulturell die gleichen Interessen haben, dass wir die Natur und alles Schöne lieben.
Ob wir uns in jungen Jahren auch so gut verstanden hätten? Im Alter fällt doch vieles weg, was in der Jugend eine Freundschaft belasten konnte: Eifersucht, Konkurrenzdenken, fehlende Bereitschaft zum Verzicht, Aufgabe der Individualität, das Durchstehen von Belastungsproben, ein eher Zuviel an Vertrautheit.
Ich schätze es, dass Du es wagst, mir „die Leviten zu lesen“, wenn ich einmal ins Jammern verfalle. Krankheiten sind ja bei uns nur ein Randthema. Natürlich gibt es Unterschiede in unserer Lebensgestaltung. Ich bewundere deine Reisegewandtheit, und Du lächelst ein wenig über meine übertriebene Häuslichkeit.
Ich geniesse Deine vielen liebevollen Gesten, sei es eine Blume per E-Mail oder ein spontaner Telefonanruf.  Wir sind beide dankbar für das wertvolle späte Geschenk.

Ich habe Bekannte, Kolleginnen, Kameraden. Den Ehrentitel Freundin vergebe ich nicht leichtfertig. Für Dich, Bärbel, passt er.

Annemarie

 

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