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Es war einmal ein trautes Heim

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Eine Schlagzeile in der Tagespresse: Das «Wohnheim Riggisberg» ändert seinen Namen in «Schlossgarten».

Burgerspittel am Bahnhofsplatz, Bern: Haupteingang

Plötzlich hatten wir Zweitklässler Läuse. Die schockierten Mütter schritten sofort zu Radikalmethoden und unterzogen unsere Häupter mit einer stinkenden Flüssigkeit mühsamen Prozeduren. Rasch kursierte das Gerücht, das Kind aus dem nahen Mädchenheim habe die unbeliebten Tierchen eingeschleppt. Bisher hatten wir die neue Kameradin mit einer Mischung aus Neugierde und Mitleid beobachtet. Nun kam – oh Kindergrausamkeit – noch eine Spur Abneigung dazu. In unseren Köpfen war ein Vorurteil geboren.
Mit dem Wort Heim verbanden wir bisher vor allem positive Gefühle. Wir kannten das Heimweh im Klassenlager, freuten uns auf eine fröhliche Heimfahrt. Ein Gspänli wohnte gar an der Heimstrasse, und einige Kameraden hatten Verwandte in Heimberg, Heimenschwand oder Heimiswil. Unser Daheim versprach Sicherheit, Geborgenheit und Vertrautheit.
Unter diesem Aspekt hat man in der Vergangenheit die Institutionen für Menschen, die durch die besonderen Lebensumstände eine Wohnstätte brauchten, auch als „Heime“ benannt. Durch Skandale in den letzten Jahren und Jahrzehnten sei dieser Begriff heute belastet. Bestehendes erfährt also eine Namensänderung. Neugründungen tönen aristokratisch wie Residenz; Baumgarten und Lindenpark nach beschaulichem Verweilen; Domizil weniger poetisch nach Wohnstätte und Tertianum für den Lateiner als dritter Lebensabschnitt. Für das Wort „Heim“ gibt es keinen gleichwertigen Ersatz. Es ist nicht richtig, dass man es auf alle Ewigkeit verdammt.
Wichtig ist jedoch, dass jeder Name dafür garantiert, dass sich die Bewohner heimisch fühlen.

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