fbpx

Die Schweizerische Alzheimervereinigung lässt betroffene Familien nicht allein

Autorin: Susanne Bandi, Schweizerische Alzheimervereinigung

Die Schweizerische Alzheimervereinigung feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Seit der Gründung 1988 hat sich einiges getan: Demenz ist im Bewusstsein der Menschen und auf der politischen Agenda angekommen.

Die Schweizerische Alzheimervereinigung lässt betroffene Familien nicht allein

Die Schweizerische Alzheimervereinigung lässt betroffene Familien nicht allein

Am Jubiläumskongress in Thun warf die Alzheimervereinigung nicht nur einen Blick zurück, sondern auch nach vorn. Es gilt nach wie vor, Berührungsängste und Stigmata abzubauen, und das Angebot an Beratung, Begleitung und Betreuung muss weiter ausgebaut und verbessert werden. Nationalratspräsidentin Maya Graf dankte in ihrem Grusswort der Alzheimervereinigung. Es sei ihr gelungen, das Thema Demenz zu enttabuisieren. Dank ihr werden heute die betroffenen Familien nicht mehr allein gelassen. Der Staat seinerseits habe zu gewährleisten, dass Kranke möglichst lange daheim bleiben können und Angehörige unterstützt werden. Beruf und Angehörigenbetreuung müssten miteinander vereinbar sein. Darüber hinaus betonte Maya Graf, wie wichtig ein menschlicher Umgang ist. „Niemand wird behaupten, dass Demente keine Gefühle und Empfindungen mehr haben. Selbst wenn wir nicht mehr sagen können, ob sie hier oder abwesend sind, sollten wir alles dafür tun, um jenen Funken zu erhalten, der sie mit unserer Welt verbindet.“

Was starke Ideen bewegen können
Der Solarpionier Raphaël Domjan führte den 600 Kongress-Teilnehmer/innen vor Augen, dass man mit Überzeugung und Engagement auch schier Unmögliches erreichen kann. Angetrieben lediglich von Solarzellen umrundeten Raphaël Domjan und sein Team mit ihrem Boot „Planet Solar“ die Welt. Sie hatten ein klares Ziel vor Augen und liessen sich nicht beirren. Das Gleiche gilt für Ruth Ritter-Rauch. Als ihr Mann Hans in den 80er Jahren an Alzheimer erkrankte, wusste man kaum etwas über die Krankheit. Es gab auch keinerlei Unterstützung, auf die Betroffene und Angehörige zählen konnten. Das wollte Ruth Ritter-Rauch nicht akzeptieren. Zusammen mit anderen Angehörigen und einigen Fachleuten gründete sie 1988 die Schweizerische Alzheimervereinigung. Hilfe zur Selbsthilfe war das Ziel. In ihrem Rückblick zeigte Ruth Ritter-Rauch auf, wie sich die Alzheimervereinigung in 25 Jahren zu einer gesamtschweizerischen Organisation entwickelt hat mit 21 Sektionen, 9000 Mitgliedern und 130‘000 Gönner/innen. Eine Organisation, die die Interessen der Betroffenen vertritt und zunehmend auch politisch Einfluss nimmt.

Wie lebt es sich mit Demenz in der Schweiz von morgen?
Die Schweizerische Politik hat mit der Nationalen Demenzstrategie ein wichtiges Zeichen gesetzt. Sie wird voraussichtlich im November verabschiedet. Viel hängt nun davon ab, wie die Strategie in den Kantonen umgesetzt wird. Darin waren sich die Teilnehmenden des zentralen Podiumsgesprächs einig. Martin Candinas, Nationalrat CVP/GR, sieht den primären Handlungsbedarf bei den Entlastungsmöglichkeiten. Unterstützt wurde er von seinem Ratskollegen Jean-François Steiert (SP/FR). „Der Stellenwert der Freiwilligenarbeit ist nirgends so gross wie bei Demenz“. Es werde aber in Zukunft tendenziell eher weniger Angehörige geben, die Betreuungsaufgaben übernehmen. Das Podium kreiste in der Folge um die Frage der Finanzierbarkeit von Betreuung und Pflege, ohne wirklich Antworten zu finden.
Die Geschäftsleiterin der Alzheimervereinigung Birgitta Martensson zeigte sich aber überzeugt, dass gute Lösungen nicht unbedingt teurer sein müssen, sondern sogar kostengünstiger sein können. Es gelte die Prioritäten anders zu setzen. So müssten die Früherkennung und das Grundwissen über Demenz unbedingt verbessert werden.

Carpe Diem!
Die Gruppe Carpe Diem und der Begegnungsclown Marcel Briand sorgten für einen berührenden Abschluss des Kongresses. Carpe Diem ist eine Gruppe von Menschen, die früh an Demenz erkrankt sind. Mitten im Leben stehend sehen sie sich mit der Diagnose Demenz konfrontiert. So erzählte Karin von ihrem neuen Leben „avec mon amant Alois, mit meinem Liebhaber Alois“. Die 51-jährige wird demnächst Grossmutter. Sie hat ihr Leben lang gerne gestrickt. Einen Pullover fürs Enkelkind wird sie aber nicht machen können. Karin weiss nicht mehr, wie Stricken geht. Claude (57) berichtete, es falle ihm schwer zu akzeptieren, dass er keine richtige Aufgabe mehr hat. Der Schritt hinaus aus dem Berufsleben in ein Leben als frühzeitiger Rentner – dieser Schritt tue schon weh. Alzheimer nervt. „Franchement, cette maladie, elle est embêtante“. Im Wissen darum spricht der Name, den sich die Gruppe gegeben hat, umso mehr für sich: Sie stellen sich der Krankheit und wollen jeden guten Moment erst recht geniessen.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments