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Die Pflege von Demenzkranken in Heimen verdient mehr Wertschätzung

Von Werner Lenzin

«Durch unsere Zufriedenheits-Befragungen haben wir einen tiefen Einblick in die Altersinstitutionen, und ich möchte – gestützt auf meine langjährige Erfahrung als ehemaliger Leiter einer Pioniereinrichtung in der Demenzbetreuung – auf die Ursachen des filmisch dargestellten Notstands hinweisen», erklärt René Künzli. Er ist überzeugt davon, dass diese Institutionen oft zu Unrecht kritisiert werden, obwohl sie, so Künzli, viel mehr Wertschätzung und Anerkennung verdienen würden. Er hält fest: «Nur wenn die in der Altersarbeit Tätigen mehr Wertschätzung und Anerkennung erfahren, wird die Altersarbeit auch für jüngere Menschen attraktiv.» Und eines ist unumstritten: «Es bedarf dringend jüngerer Menschen, die sich für alte Menschen einsetzen.»

Infrastruktur und Zeitmangel

In vielen Pflegeheimen existiert eine Abteilung für Demenzkranke. «Dies ist an sich auch gut, wenn die Infrastruktur den Patienten genügend geschützten Innen- und Aussenraum gewährt, wo sie die Möglichkeit finden, sich frei zu bewegen», hält Künzli fest. Dies sei aber gemäss seinen Erfahrungen bei vielen Einrichtungen nur bedingt möglich. Künzli weiss aus Erfahrung: «Wenn diese Bewegungsfreiräume ‘Fluchtdistanzen’ nicht vorhanden sind und die Patienten ihren Bewegungsdrang nicht ausleben können, kann dies zu Aggressionen unter den Patienten führen, dies infolge fehlender Freiräume und mangels genügender Zeit der Betreuenden.» Dass es dann zu einem «Ruhigstellen» mit Medikamenten kommt, ist für ihn eine schlechte Variante, jedoch oft nicht zu umgehen. René Künzli sagt, dass die Betreuung und Pflege von alten Menschen, ganz besonders von Demenzkranken, sehr viel Zeit benötigt. Wo und weshalb liegt hier für ihn der Unterschied zu einem Spital?

Auf der Homepage der terzStfitung in Berlingen ist auf der Frontseite eine Generationenuhr abgebildet. Sie zeigt deutlich, dass ältere Menschen im Stundentakt leben und alles naturgemäss langsamer verläuft. «Wenn wir mit älteren Menschen in Kontakt treten möchten, dann müssen wir uns auf diesen Takt einlassen, sonst funktioniert die Kommunikation nicht», erklärt Künzli. Er appelliert, dass sich in der Altersarbeit tätige Menschen diese Tatsache vor Augen halten und sie berücksichtigen. Ein grosses Problem sieht Künzli darin, dass diese Mehrzeit vom Gesundheitssystem nicht honoriert wird. Im Gegensatz zum Heim werden die Patienten im Spital gemäss seinen Erfahrungen mehrheitlich fremdbestimmt. Ein Grossteil der Ablauf-Organisation wird für ihn, ähnlich wie in einem Industriebetrieb, durchgetaktet. «Dies ist in einem Heim nur sehr beschränkt möglich, denn die erforderliche Zeit ruft nach Stellen und Finanzen», sagt Künzli.

Ungenügende Finanzierung

Gemäss René Künzli wird der Faktor Zeit in den Sozial- und Krankenkassenleistungen nicht adäquat berücksichtigt und entschädigt. «Dies hat zur Folge, dass die Altersinsti-tutionen bei den grössten Aufwandsposten, den Löhnen, sich äusserst zurückhalten müssen, was logischerweise Auswirkungen auf die Stellenpläne zeigt», stellt Künzli fest. Damit schliesst sich der Kreis wieder mit der nicht ausreichenden Zeit für die Patientinnen und Patienten mit Demenz. Für Künzli haben die Altersinstitutionen einen sozialen und gesundheitspolitischen Auftrag. Dieser muss für ihn leistungsorientiert und im Rahmen einer hohen Dienstleistungsqualität in einem optimalen betriebswirtschaftlichen Rahmen erfüllt werden. «Bei der Betreuungs- und Pflegequalität alter Menschen spielt nebst der Fachkompetenz der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle, und diesem Umstand wird bei der Finanzierung der Heime zu wenig Rechnung getragen», davon ist Künzli überzeugt. Deshalb gilt für ihn: «Die Politik ist diesbezüglich gefordert, der Handlungsbedarf ist offensichtlich und dringend.»

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