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Der Spaziergänger von Aleppo / 57 Miniaturen

Niroz Malek (Weidle Verlag)

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Mit dem Wort Spazieren verbinden wir Musse, das entspannte Gehen in der Natur oder ein gemütliches Schlendern beim Stadtbummel. Miniaturen sind für uns etwas Niedliches, Liebliches, eine kleine Kostbarkeit. Wie kann man die beiden Begriffe mit der leidgeprüften Stadt Aleppo in Verbindung bringen? Niroz Malek schafft das Unmögliche. In seinen kurzen Texten versucht er jegliches Pathos zu vermeiden, keine Sensationsgier zu nähren, keinen Hass zu säen. Und doch ist alles spürbar, die ständige Angst, die Unsicherheit, die Not, das blanke Entsetzen der Menschen.

Den Leser packen eine unsägliche Ohnmacht und Mitgefühl. Gewisse Schilderungen sind kaum auszuhalten, auch wenn der Autor um Sachlichkeit bemüht ist.  Wie kaputt müssen Menschen sein, die aus reiner Lust am Töten ein Kind umbringen, das seine tägliche Brotration abholen wollte? Die schlimmsten Zeilen im Buch würde man am liebsten übergehen und ins Positive flüchten.  Immer auch bricht durch, dass die menschlichen Empfindungen wie Freude, Hoffnung, Zuneigung und Liebe, unzerstörbar sind. Zu Papier gebracht, erzeugen die Nacht- und Tagträume des Autors gar eine wunderbare Poesie:… In deren Mitte steht ein Mond, viele grosse Sterne werfen ihr goldenes Licht auf den Boden des Parks, der wie ein orangefarbenes Feld wogt, und wenn du genau hinsiehst glaubst du, dass es ein Feld mit erntereifem Weizen ist….
Auch wenn um ihn herum alles im Chaos versinkt, will Niroz Malek nicht fliehen. Seine vielen Bücher, die Schallplatten, Gemälde und Erinnerungen kann er nicht zurücklassen. „Ich bleibe in meiner Wohnung, solange meine Seele lebt.“

Ich schreibe diesen Text in meinem gemütlichen, sicheren Zuhause. Die einzige Detonation, welche die Stille durchbricht, ist ein Flugzeug, das beim nahen, ländlichen Flugplatz startet.

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