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Der letzte Schnee

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

«Das mit dem Nebel ist eine Lotterie, sagt Paul. Das mit dem Leben auch, sagt Georg.» Die beiden ehemaligen Bündner Skilehrer betreuen mit grossem Engagement einen altertümlichen Schlepplift mit Verfalldatum. Es ist nicht weltbewegend, was sie vor dem Berghüttli schwadronieren und philosophieren. Aber in ihren Gesprächen ist doch sehr viel Welt drin.

Da sind die Erinnerungen an die verschollenen Berggänger oder die Dorfbewohner, die nach La Merica ausgewandert sind. Die zum Teil dem Dialekt oder der Phonetik entnommenen Wortgebilde – offenbar heute eine Modeerscheinung – sind lustig. Vom ersten Satz an gesellt man sich zu den Beiden, hadert mit Petrus dem Schneeverweigerer und hält durchs Fernglas vergeblich Ausschau nach Gästen. Der bedächtige Georg sucht ständig sein Schurnal, in das er gewissenhaft auch die kleinsten Vorkommnisse einträgt. Zu ihren grossen Problemen gehört der verlorene Bügel am Lift. Für die verlangte Revisium gibt das Besteigen des Mastes Anlass zur Diskussion. Seit die Marianna vom Dorflädeli beim Reinigen der Regenrinne an ihrem Haus vom Dach gefallen ist, hat Paul Höhenangst. Noch rattern die Räder des Schlepplifts regelmässig. Wie lange wird er ihnen noch Freude bereiten. Immerhin hat er Baujahr 1971. «Leben heisst verlieren», sagt Paul.

Der Autor hat ein unglaublich feines Gespür für Details. Gerade die sprunghaften Übergänge in den Sätzen machen den Charme dieser kleinen Trouvaille aus. Man schmunzelt von der ersten bis zur 99igsten Seite.

Arno Camenisch, «Der letzte Schnee», 104 S., CHF 25.-, Engeler Verlag 2018

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