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Dauerhaftes

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Die Musikdose stammt nachweisbar aus dem 19. Jahrhundert, und so lange ist sie auch im Familienbesitz. Alljährlich an Weihnachten hat sie ihren grossen Auftritt. Die Töne sind nicht mehr lupenrein. Ihr Gehäuse verrät das hohe Alter. Aber das macht ihren Charme aus, und deswegen wird sie auch von unseren Jüngsten geliebt.

Er surrt und surrt. Wie es seine Aufgabe ist während genau fünf Minuten. Dreissig Jahre schon tut der Ventilator im Badezimmer seinen Dienst, störungsfrei und ohne grosse Wartung. Manchmal kommt er etwas aus dem Takt, wenn ein unvorsichtiges Insekt in seine Fänge gerät.

Sie ist nicht etwa nur ein Ausstellungsobjekt, die monströse Registrierkasse im Nähatelier im Dorfzentrum. Sie ist tatsächlich noch in Gebrauch. Ihr Gewicht sei für Diebe keine Verlockung, meint die Besitzerin lachend.

Zu meinem Erstaunen fand sich für meine noch funktionstüchtige, mechanische Schreibmaschine ein Abnehmer. Dank Internet konnte er sich sogar noch die dazu passenden Farbbänder beschaffen. Jetzt steht sie ihm in seinem abgelegenen Ferienhaus in den Bergen als Fingertraining zur Verfügung. Ich brauche einen zweiten Staubsauger. Ein Gerät auf jedem Geschoss des Hauses scheint mir bequem. Im Elektrogeschäft gestehe ich, dass ich noch mit einem Erbstück aus dem mütterlichen Haushalt arbeite. Ungeachtet der Weisung, immer die Geschäftsinteressen zu wahren, meint der junge Verkäufer: „Tragen sie Sorge dazu, es kommt nichts Besseres nach“. Auch meine Waschmaschine mit Jahrgang 1984 musste endlich ersetzt werden. Ihre Nachfolgerin dürfte nach zehn Jahren bereits ein Auslaufmodell sein. Im Hinblick auf die Finanzen haben die Hersteller von Apparaturen noch kein Interesse, Dauerhaftes zu schaffen.

Aufhorchen lassen die Worte aus dem Vortrag des Architekturkritikers Benedikt Loderer: „Wir lernen wieder eine alte, vergessene Tugend, das Sparen. Wir machen den Rückschritt vom Wegwerfen zum Reparieren. Das Ziel dürfte 2090 erreicht sein. Das macht Hoffnung auf ein besseres 22. Jahrhundert.“

Wir sind auf dem Weg dazu.

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