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Damit niemand bei unverblümter Altersdiskriminierung sprachlos bleibt

Autor: Dr. Thomas Meyer, Redaktion terzMagazin | Foto: iStockphoto

Wenn Behörden wie Vormundschaftsgerichte oder Notariate jemanden ausschliesslich wegen des Alters benachteiligen, dann ist das rechtswidrig. Aber auch wenn jemand deswegen von einer Privatperson benachteiligt wird, will ihm das Online-Magazin terz seine Stimme geben.

Nach Ansicht mancher Museumsdirektionen dürfen nur noch jüngere Frauen durch ihr Haus führen.

Nach Ansicht mancher Museumsdirektionen dürfen nur noch jüngere Frauen durch ihr Haus führen.

Altersdiskriminierung ist in der Schweiz weit verbreitet und weniger mit Sanktionen bewehrt als andere Diskriminierungen. Zu diesem Ergebnis kam Prof. Dr. Walter Rehberg, Leiter einer Studie zu Formen und Verbreitung von Altersdiskriminierung in der Schweiz, im Interview mit dem terzMagazin. Wir wollen in unserer Funktion als Interessenvertreter für die Brisanz des Themas sensibilisieren und den Meinungsaustausch anregen. Deshalb veröffentlicht „terz“ Berichte von Leser/-innen und Gönner/-innen, die sich von Altersdiskriminierung betroffen fanden.

Beispiel 1 – Vormundschaftsbehörde:
Ein Ehepaar aus dem Thurgau wollte seinen erwachsenen schwerbehinderten Sohn unter elterliche Sorge stellen lassen. Eine Bank hatte eindeutige Zeichnungsberechtigungen gefordert. Bislang hatten beide Eltern im Namen des Sohnes auch finanzielle Angelegenheiten geregelt. Die Vormundschaftsbehörde verweigerte nach der formalen Entmündigung des Sohnes zunächst dem Vater das Sorgerecht „aufgrund seines Gesundheitszustandes sowie des bereits fortgeschrittenen Alters“. Tatsächlich stand der Vater vor einer Operation – die mit den 82 Lebensjahren nichts zu tun hat. Weil sie nicht alleine Vormund sein wollte, focht die 8 Jahre jüngere Mutter mit ihrem Mann zusammen den Entscheid an und bekam vom Departement recht. Aber der Kampf darum hatte ihrem Mann sehr zugesetzt, wie sie der Redaktion des terzMagazins mitteilte.

Beispiel 2 – Museumsführung:
„Mit der Diskriminierung im Alter wurde ich zum Glück erst einmal konfrontiert, aber es war ein schockierendes Erlebnis, und ich fürchte mich schon, wenn ich einmal 80+ bin. Ich war 68 Jahre, bin freischaffende Journalistin und bewarb mich auf ein Inserat eines Museums, das für CHF 250.– einen Kurs in Museumsführung anbot. Ich rief bei der Museumsdirektion an, und man bot mir sofort einen Platz an und schickte mir die Unterlagen, welche ich umgehend zurücksandte. Zu meinem Erstaunen bekam ich dann ein Telefon, in welchem mir die Leiterin mitteilte, ich sei leider, laut meinen Unterlagen, zu alt, und sie hätten bereits Anfragen von jüngeren Frauen. Ich war sprachlos über eine derartige unverblümt ausgesprochene Diskriminierung und gab dem in einem Schreiben an die Direktion Ausdruck, mit dem Versprechen, nie mehr dieses Museum zu betreten. Zudem ist ja ein Museum nicht gerade ein Ort, wo man partout Jugendlichkeit erwartet.“

Beispiel 3 – Altersinstitutionen:
Die Freundin einer Gönnerin wohnt seit 34 Jahren in Erlenbach. Da der Block, in dem ihre Mietwohnung liegt, im nächsten Jahr umfassend saniert werden soll, ist allen Mieter/-innen gekündigt worden. Geistig ist die 83-Jährige sehr frisch, körperlich macht ihr höchstens langes Gehen Mühe. Sie kann für sich selber sorgen und fährt auch noch Auto. In Altersinstitutionen im Raum Erlenbach, die sie vorsorglich anfragte, falls sie nach der Sanierung nicht in die selbe Wohnung zurückkann, wurde ihr erklärt, dass man Personen über 80 nicht berücksichtige! Unsere Gönnerin nennt das einen Skandal.

Aus wissenschaftlicher Sicht
Der frühere Assistent von Professor Rehberg bei jener Studie und heutige Betreuer, Benjamin Moser, hat dankenswerterweise aus sozialwissenschaftlicher Sicht Stellung zu den Fallbeispielen genommen:

„Die vorliegenden Erlebnisberichte veranschaulichen eindrücklich, wie sich Altersdiskriminierung im Alltag vollzieht. Die Fallbeispiele zeigen nicht nur die Spannbreite von altersdiskriminierenden Erlebnissen auf, sie verdeutlichen die schwierige gesetzliche Grundlage. Im Beispiel 1, in dem es um Rechtsansprüche (Prüfung eines Antrages) geht, steht den Betroffenen der Rechtsweg offen. Dies war möglich, weil Verfahrensfehler bei der Prüfung des Antrags nachgewiesen werden konnten. Altersdiskriminierendes Verhalten kann indes nicht direkt eingeklagt werden. Hierzu fehlen gesetzliche Grundlagen.
Noch schwieriger zeigt sich die Situation an den Beispielen 2 und 3. Hier fehlen nicht nur gesetzliche Grundlagen, das Problem ist ein allgemeines: Bei Ausschreibungen von Arbeitsstellen, Wohnungen u. Ä. handelt es sich um Angebote, bei denen der Anbieter frei entscheiden kann, wem er einen Vertrag unterbreitet. Hier kann (wie es die Frau im Fallbeispiel 2 tut) höchstens zum Boykott des Anbieters aufgerufen werden – geknüpft an die Hoffnung, dass die Tragweite altersdiskriminierenden Verhaltens gesellschaftlich und politisch erkannt wird und zu einem verantwortungsvollen Umgang führt.
Denn jenseits der Rechtslage, eines verdeutlichen alle drei Erfahrungsberichte: Altersdiskriminierende Erlebnisse stellen eine hohe emotionale Belastung für die Betroffenen dar.“

Wenn Sie sich wegen des Alters benachteiligt fühlen, wenden Sie sich bitte an die terzStiftung! Wir arbeiten mit Medienpartnern wie den „POST-Medien“ daran, dass niemand bei unverblümter Diskriminierung sprachlos bleiben muss.

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