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Angeblich stellen Heime Seniorinnen systematisch ruhig

Autor: René Künzli, Präsident der terzStiftung

Roland Gamp orientiert am Donnerstag, 12.5., im Tages-Anzeiger über eine noch nicht veröffentlichte Studie, dass «Bewohnende in Altersheimen systematisch mit Medikamenten ruhiggestellt werden». Dieser Bericht erscheint uns polemisch, weil festgehalten wird, dass diese Medikamente den Bewohnenden nicht abgegeben werden, «…weil sie diese bräuchten, sondern weil den Pflegenden die Zeit für die Betreuung fehlt». Ferner wird ausgesagt, dass «…37% der Betagten in Pflegeeinrichtungen Neuroleptika…» erhalten, und damit wird unausgesprochen unterstellt, dass die Abgabe jeweils ohne medizinische Indikation erfolgt. Es wird weiter berichtet, dass «…fast der Hälfte von ihnen neun oder mehr verschiedene Arzneimittel pro Woche verabreicht werden, was zu unerwünschten Wechselwirkungen führen kann». Die Auswirkungen werden wie folgt geschildert: «Es ist kaum vorstellbar, wie sich das für die Betroffenen und deren Angehörige anfühlen muss. Aber auch für die Angestellten, die wegen fehlenden Ressourcen scheinbar keinen anderen Ausweg sehen».

 

Der Artikel ist tendenziös, undifferenziert und verallgemeinernd, was zu völlig falschen Schlussfolgerungen führt.

Zum einen ist festzuhalten, dass die meisten Bewohnenden bereits mit entsprechenden Rezepten ihres Hausarztes ins Heim eintreten. Zum anderen sind es doch nicht die Pflegefachfrau, der Pflegefachmann, die bestimmen, welche Medikamente den Bewohnenden abgegeben werden, sondern die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt. Daher ist es völlig unzulässig, geradezu abenteuerlich, dass mit diesem Bericht suggeriert wird, dass das Heim, beziehungsweise das «überforderte» Pflegepersonal selbst, situativ und völlig willkürlich darüber entscheidet, welche Medikamente den Bewohnenden wann und in welcher Dosis abgegeben werden. Wer Einblick in die Heimwelt hat, weiss, dass die Patientendokumentation detailliert Auskunft gibt über das Befinden der Bewohnenden und was an pflegerischen Handlungen einschliesslich der Medikation vorgenommen wurde. Diese Dokumentation ist auch Entscheidungsgrundlage für die weiteren medizinischen Massnahmen der Ärztin oder des Arztes. Letztlich haben nebst der Heim- und Pflegedienstleitung auch die Mediziner eine Kontrollpflicht, um sicherzustellen, dass nach ihren Anweisungen und Verordnungen gearbeitet wird.

 

Auch ist es nicht so, dass den verantwortlichen Personen in den Pflegeheimen die Problematik der Polymedikation nicht bewusst ist. Im Gegenteil: es werden Massnahmen ergriffen in Zusammenarbeit mit Apotheken, um unerwünschte Wechselwirkungen von den Medikamenten beim älteren Patienten zu verhindern (vgl. SHURP-Studie der Uni Basel 2021). Der Heimverband Curaviva hat ein ausführliches und differenziertes Faktenblatt für seine Mitglieder ausgearbeitet, um Polymedikation zu reduzieren.

 

Die terzStiftung setzt sich für qualitativ hochstehende Altersarbeit heute und in Zukunft ein. Der Titel «Altersheime stellen Senioren systematisch mit Pillen ruhig» zielt mit billigen Mitteln auf Empörung, ohne im weiteren Beitrag einen Beweis für diese unerhörte Aussage zu erbringen. Die unzulässigen und unqualifizierten Verallgemeinerungen werden den in den Heimen Tätigen sowie den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in keiner Weise gerecht.

Bitte füllen Sie den unten angehängten Fragebogen aus. Er hilft uns, eine kompetente Rückmeldung aus der Heimwelt zu erhalten.

Medikamentenabgabe bei Ihnen im Haus

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