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„An den Pranger gestellt!“

Autor: René Künzli, Präsident der terzStiftung

Am 17. Mai 2013 berichteten die Toggenburger Nachrichten: „Kuriose Meldung im aktuellen Amtsblatt des Kantons St. Gallen: 31 Personen werden mit Namen und Geburtsdatum aufgeführt, weil sie sich verkehrsmedizinisch untersuchen lassen müssen. Die Personen im Alter zwischen 70 und 73 Jahren sollen bis am 14. Juli beim Strassenverkehrsamt ein Gutachten ihres Arztes vorweisen, welches ihnen bescheinigt, keine Gefahr für den Strassenverkehr zu sein. Ansonsten wird ihnen der Führerausweis entzogen.“

René Künzli

René Künzli, Präsident der terzStiftung

Die terzStiftung hält dieses Vorgehen für inakzeptabel, denn: In der Schweiz wohnen die Bürgerinnen und Bürger nicht einfach irgendwo, ohne dass die Gemeinde und andere Amtsstellen den ständigen Aufenthaltsort kennen. Die Zahl von 31 Personen im Alter zwischen 71 und 73 Jahren allein im Kanton St. Gallen, die gegenwärtig für das Strassenverkehrsamt nicht auffindbar sind, ist deshalb überraschend hoch. Kaum vorstellbar ist, dass im Quartal um die hundert AHV-Empfänger in der Schweiz den Wohnort wechseln, ohne sich in der vorherigen Gemeinde ab-, bzw. in der neuen Gemeinde angemeldet zu haben. Noch unwahrscheinlicher scheint der Wohnortswechsel ins nahe oder ferne Ausland – ohne Abmeldung.
Die wahrscheinlichere Erklärung ist, dass sich ein Teil der Angeschriebenen auf einer längeren Reise befinden, sich in einem längeren Hütedienst ihrer Enkelkinder befinden und sich die Post nicht nachschicken lassen, dass der Brief den Adressaten nicht erreicht hat oder er in der Wohnung verlegt wurde. All diese Optionen sind denkbar und möglich.

Persönlichkeitsschutz hat Vorrang
Daher ist die öffentliche Ausschreibung im Amtsblatt, für die Nichtreaktion auf eine amtliche Aufforderung, völlig unverhältnismässig. Mit Hooligans, Sexualstraftätern oder Mördern geht man in der Schweiz wesentlich umsichtiger um. Auch deren Persönlichkeitsschutz hat aus guten Gründen Vorrang vor dem Informationswunsch (oder der Neugierde) der Öffentlichkeit. Eine Anfrage auf dem kleinen Dienstweg an die oben genannten Behörden, ob sie eine aktuelle Adresse von jemandem besitzen, der für das Strassenverkehrsamt nicht erreichbar ist, sollte bessere Ergebnisse bringen. Die Rechtfertigung, nur so liessen sich zur Kontrolluntersuchung Aufgebotene erreichen, überzeugt in keiner Weise. Selten dürften es die Ausgeschriebenen selbst sein, die ihren Namen als erste im Amtsblatt lesen, viel eher sind es Bekannte oder Nachbarn, die dann den Säumigen das Blatt unter die Nase reiben. Für ein Versäumnis ist das eine inakzeptable Amtshandlung.
Die medizinische Kontrolluntersuchung stammt aus dem Jahr 1976. Sie ist eine willkürliche, schon lange nicht mehr zeitgemässe, aber akzeptierte Alterslimite. Die terzStiftung ist seit Jahren gegen weitere Verschärfungen und Auflagen gegenüber älteren Menschen im Strassenverkehr im Wissen, dass solche geplant sind.

Inakzeptables Vorgehen
Wir stehen zum Rechtsstaat und akzeptieren dass, wer seiner Pflicht zur Untersuchung nicht nachkommt, nach mehrfacher Mahnung die Fahrerlaubnis verliert. Das müssen wir hinnehmen. An den Pranger gestellt zu werden, empfinden wir als ein inakzeptables Vorgehen, das völlig unverhältnismässig ist und das die Bürgerinnen und Bürger der Schweiz nicht akzeptieren dürfen.

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Beda Blattmer
3. Juni 2013 13:47

Ich frage mich ernsthaft, wo der St.Galler Ombudsmann ist, gerade in einem solchen, auch rechtlich inakzeptablen Vorgehen, wäre es seine verdammte Pflicht, hier einzuschreiten und die Behörde zu massregeln!