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Alte Männer

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Seine alten Männer hätte man sich allesamt als Grossväter gewünscht. Für den Maler Albert Anker (1831 – 1910) waren sie ein Lieblingsmotiv. Auch nach einem Leben voller Entbehrung und Arbeit wirken sie auf den Gemälden keineswegs verbittert. Ob pfeifenrauchend oder zeitungslesend, sie strahlen Ruhe und Würde aus, scheinen ganz bei sich zu sein. Jetzt hatten sie Zeit und Musse, dem Künstler Modell zu sitzen. Der Jugendwahn mit seiner Devise 60 ist das neue 50, seiner Aufforderung nach sportlicher Betätigung, Reisen zu planen und Fitnessabos zu buchen, war noch kein Thema. Die munteren Senioren des 21. Jahrhunderts beflügeln mit ihrer offenbar ungebändigten Abenteuerlust längst auch die Filmindustrie. Neu ist wohl auch das sogenannte Silver Shoppen, das Einkaufen in einer auf die ältere Kundschaft ausgerichteten Erlebniswelt.

Nachmittägliche Talkshows im TV scheinen beliebt. Da wird vor Publikum Persönliches ausgebreitet. Der Moderator befragt eine alte Dame nach dem Befinden des Ehemannes. „Er schmutzt und lärmt und nervt“. Ist es der Sprecherin ernst mit ihrer Aussage oder will sie einfach originell wirken? Nur wenige Lacher aus der Mitte. Ich bin schockiert.   Vielleicht hat sie ja wirklich einen ganz besonderen Griesgram zu Hause. Welche Tragik des Zusammenlebens spielt sich hier ab. Ich erinnere mich an einen Film mit bekannten französischen Schauspielern. Ein altes Paar kommunizierte nur noch über seine Katze.

Bei meinen Aktivitäten im Seniorenchor, in der Wander- und Lesegruppe, erlebe ich die Jahrgänger als äusserst hilfsbereit und charmant. Das ist halt noch „Alte Schule“, wenn sich ein Kollege fast dafür entschuldigt, weil er mir etwas handgreiflich beim Aufstieg auf dem Waldweg behilflich sein muss.  Das Zusammensein ist freundschaftlich, offener und entspannter als in jüngeren Jahren. In einem guten Gespräch zeigt sich ihre harmoniebedürftige, verletzliche Seite. Ist das Altersmilde oder waren sie das nicht immer schon?

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