17 Juni Interview Stefan Heissler mit Marc Lutz, Managing Director, Hays (Schweiz) AG
Sind schon viele Arbeitsuchende 55+ an Sie herangetreten, wenn Sie Stellen ausgeschrieben haben? Können Sie abschätzen, wie viele das prozentual im Vergleich zu Jüngeren sind?
Das kommt in der Direktvermittlung eher selten vor, allerdings haben wir letztens einen 62-jährigen Experten vermittelt. Der Kunde hat vorher ein Jahr lang vergebens versucht, die Vakanz zu besetzen und war daher sehr froh. Im temporären Bereich ist das schon häufiger der Fall. So sind hier im Bereich unserer kleineren und mittleren Kunden rund 25% der von uns 2024 vermittelten temporären Arbeitskräfte über 55 Jahre alt gewesen. Es sind meist Fachkräfte aus dem IT-Bereich, aber auch Engineering.
Worin sehen Sie die entscheidenden Vorteile, Arbeitnehmer/-innen im Alter 55+ einzustellen?
Diese Altersgruppe ist eine große Bereicherung, gerade im Team mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Sie haben hohe Fachkenntnisse und viel Lebenserfahrung. Sie wollen diese Erfahrungen weitergeben, soziale Kontakte knüpfen, sind aber auch offen für Neues. Sie können zum Beispiel von jüngeren Leiten im Bereich digitale Kommunikation oder Nutzung innovativer Tools einiges lernen. Eine klassische Win-Win-Situation, die zudem sehr förderlich für die Unternehmenskultur ist.
Welches Potenzial sehen Sie für diese Altersgruppe?
Bei der aktuellen demografischen Entwicklung in der Schweiz wäre es sehr fahrlässig, nicht auch auf ältere Arbeitnehmer zu bauen, die noch arbeiten wollen. Zudem haben sie Kenntnisse und Erfahrungen, die vielleicht in zehn Jahren nicht mehr so stark nachgefragt sein werden, aktuell aber eine wichtige Brückentechnologie darstellen. Beispiele sind hier Verbrenner-Motoren bei Autos oder die Kernenergie. Hier gibt es aber zu wenig junge Experten, da es sich eher um Auslauftechnologien ohne längere Zukunftshorizonte handelt.
Können Sie etwas über Fehltage bei Arbeitnehmer/-innen 55+ und bei Jüngeren sagen – gibt es da Unterschiede?
Statistiken in der Schweiz zeigen zwar, dass Arbeitnehmer ab 55 tatsächlich im Durchschnitt etwas häufiger krank sind als Jüngere. Aber das Alter ist hier nur ein Faktor. Geschlecht, Nationalität, Branche, Unternehmensgrösse oder Hierarchiestufe spielen ebenfalls eine große Rolle. Zudem bedeuten mehr Fehltage nicht automatisch weniger Belastbarkeit. Ältere Menschen werden immer fitter, das Gesundheitsbewusstsein steigt, und mit einem professionellen betrieblichen Gesundheitsmanagement kann die Zahl der Absenzen um bis zu 50% gesenkt werden. Das lohnt sich gerade bei älteren Mitarbeitern. Und: Es zählt die Leistung, nicht die Anwesenheit
Haben Sie schon Stellen an bereits Pensionierte vermittelt, die weiterbeschäftigt werden wollen? (Falls Ja: Haben diese Bewerber häufiger Teilzeit-Beschäftigung gesucht? Oder Temporäre Einstellungen?)
Nein. Aber laut Studien kann sich fast der Hälfte der aktuell 50 bis 63-Jährigen in der Schweiz grundsätzlich vorstellen, auch jenseits des Pensionsalters weiterzuarbeiten. Das ist eher ein «Wollen» denn ein «Müssen». Finanzielle Erwägungen stehen hier nicht an erster Stelle. Es gibt auch schon Modelle wie Pensionierten-Pools, wo Mitarbeitende auf Abruf verfügbar sind, oder Spätpensionierungen in Unternehmen. Aber das sind eher vereinzelte Experimente. Unserer Erfahrung nach verhalten sich hier viele Unternehmen noch zu passiv und abwartend. Aber wir brauchen viel mehr solcher flexiblen Modelle, die individuell auf die Interessen und Erwartungen der Älteren und Pensionäre zugeschnitten sind.
Gibt es nach Ihrer Einschätzung einen Markt für temporäre Beschäftigung von Arbeitnehmern 65+ bzw. Personen, die bereits vorher ausgeschieden sind?
Auf jeden Fall, gerade in der temporären (Teilzeit-)Arbeit sehen wir für ältere Menschen viel Potenzial. Allerdings gibt es in einigen Unternehmen immer noch Vorbehalte gegen ältere Arbeitnehmer zum Beispiel in Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Resilienz. Unserer Erfahrungen nach sind diese aber in den allermeisten Fällen nicht gerechtfertigt. Die von uns vermittelten älteren Arbeitnehmer sind sehr oft top motiviert, anpassungsfähig und fit. Werden sie genügend wertgeschätzt und herrscht im Unternehmen ein gutes Arbeitsklima, dann sind diese Leute ein echtes Asset.
Sorry, the comment form is closed at this time.