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Überflüssiges muss weg – von Heiligtümern trennt man sich nicht

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

„Unerschrocken vorwärts. Jetzt räumen sie aber auf und zwar gründlich“.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Welch ein Zufall! Dieser Aufruf aus meinem Wochenhoroskop – das ich normalerweise nicht lese – stimmt überein mit dem Rat meiner Freundin Ruth, der Perfekten: „Befreie dich von allem Überflüssigen“.
Mit kritischem Blick gehe ich durchs Haus. So vieles ist nicht unbedingt lebensnotwenig, hat aber für mich eine Geschichte. Trotzdem organisiere ich eine Kiste für die Brockenstube und einen Sack für die Kehrichtabfuhr. Ich beginne bei den Gegenständen, die ich gut entbehren kann: Den Nippsachen und Feriensouvenirs. Schwieriger wird’s bei Büchern, Fotos und Schriftlichem. Da sind doch die rührenden Briefe der Kinder, in denen viel von Liebe und Dankbarkeit die Rede ist. Warum sollte die jahrelang gepflegte Korrespondenz mit Freunden nicht dereinst als Zeitdokument gefragt sein? Das darf doch nicht alles in der Verbrennungsanlage enden! Da entfache ich lieber selber ein Feuerchen, damit mich diese Zuwendungen noch einmal wärmen. Wo bleibt überhaupt bei der Aktion das befreiende Gefühl? Ich werde eher sentimental, wehmütig und traurig. Da kommt die rettende Erinnerung an die Aussage der anderen Ruth, der Unvollkommenen, die ich noch so gerne beherzige: „ Lass doch das rigorose Entsorgen, noch bist du ja da“.
Wie ich aus der Brockenstubenkiste die Erstlingsschuhe der Jüngsten und das abgegriffene Portemonnaie des frühverstorbenen Vaters wieder heraussuche, fühle ich mich grossartig. Von „Heiligtümern“ trennt man sich nicht.

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