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Mut zur Mode mit Mass

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Ich brauche eine neue Brille. Im Optikergeschäft, das meine Daten verwaltet, bedient ein neuer Angestellter. Aufgepasst!

In seinem jugendlichen Eifer wird er mir eines der teuren Designer-Modelle mit glitzernden Appliken aufschwatzen. Dem gilt es vorzubeugen.
„Bitte nur etwas Diskretes, nichts Auffälliges, nichts Dominierendes“. Was passiert?! Ich entscheide mich für ein freches, auffälliges und gar nicht diskretes Gestell.  Beim ersten Spaziergang mit der neuen Errungenschaft auf der Nase ruft mir eine Nachbarin schon von weitem zu: „Wow, dini Brülle isch de Hammer“. Ich bin schon lange nicht mehr so beschwingt und leichtfüssig von dannen geschritten, wie nach diesem Kompliment.
In meiner „Ahnengalerie“ hängt das Bild meiner Grossmutter, das sie als ernsthafte 18-jährige Braut zeigt. Eine cremefarbene Spitzenbluse unterstreicht ihre natürliche Anmut. Als besonderen Schatz hüte ich eines ihrer Kostüme aus schwerem Brokat.  Das kurze Jäckchen wäre heute wieder aktuell. Grossmama hat sich mit ihrer Garderobe bald einmal der damaligen Zeit angepasst. Ich habe sie nur dunkel gewandet in Erinnerung.
Mein italienischer Bibione-Rock! Ein geflügeltes Wort in unserer Familie.  Ein langes, schmales Ewas, gediegen in Stoff und Schnitt, wie geschaffen für mich mit Kleidergrösse 38. Beim abendlichen Promenieren im Städtchen schickten mich meine Lieben jeweils ein paar Schritte  voraus, um sich in meinem Glanze zu sonnen.  Wie die Königin von Saba stolzierte ich einher.  Von diesem guten Stück konnte ich mich nie trennen. Meine Enkelin hat es kürzlich zum Spass anprobiert und konnte es nicht glauben, dass ich da einmal hineinpasste.
Auch in unserer Stadt mussten viele altehrwürdige und qualitätsbewusste Kleider-Geschäfte, Boutiquen für Teenager-Kundschaft Platz machen. Für die älteren Semester ist das Angebot eingeschränkt. Natürlich sind Modeströmungen wie  Mini, schulter- und bauchfrei, für uns passé.  Es braucht Zeit und Geduld, um noch eine echte Trouvaille zu machen.  Vor Jahren hat mich ein Buchtitel beeindruckt: „ Wenn ich alt bin, trage ich Mohnrot“. Welch ein herrliches Bekenntnis zur Farbe, die Fröhlichkeit, Lebensbejahung, und ein Hochgefühl für die Trägerin, verspricht.

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