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Keiner lebt allein

Autorin: Annemarie Golser, Redaktion terzMagazin

Zum Überleben brauchen wir Kontakte, die Nähe zum Mitmenschen. Experimente haben gezeigt, dass sich bei Personen, die in völliger Isolation leben, sehr bald deutliche gesundheitliche Schäden melden.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Auf das Wort „Begegnung“ stösst man heute überall. Im Jahresbericht des Frauenvereins, im Tagungs- und Kursprogramm der Volkshochschule und anderen Bildungsstätten, in der Zeitung auf der Seite der Veranstaltungen. In den Städten, Dörfern und Quartieren werden Begegnungszentren geschaffen. Selbst die Werbung macht sich die Sehnsucht nach menschlichen Kontakten zunutze, wenn die Schuhfirma behauptet: „Wir sind in Ihrer Nähe“, oder die Bank den Aufruf erlässt: „ Wir möchten Sie kennenlernen“. Auch das Reisebüro wagt es, den Tourismus als „Kulturbegegnung“ zu bezeichnen.
Wer Kinder befragt, wem sie gerne begegnen möchten, erhält aufschlussreiche Antworten. Die Buben wünschen sich eine Gegenüberstellung mit einem Fussballidol, die Mädchen mit Schauspielerinnen oder Models. Wer kann Kindern diese hochgegriffenen Wünsche verargen? Sie haben die Erfahrung noch nicht gemacht, dass es nicht Prominenz braucht, um Nähe und Wärme zu spüren, dass ich dem Nächsten schon begegne, wenn ich nur kurz beim Weitergehen zögere oder auch nur schon seinem Blick nicht ausweiche. Der alte Mann bittet mich bei der Tramhaltestelle um Hilfe beim Automaten. Die junge Frau von nebenan sorgt sich um mich, wenn sie mich einmal nicht beim Briefkasten trifft. Das sind keine spektakulären Begegnungen, aber sie wärmen, bringen eine Saite zum Klingen, vermitteln Geborgenheit. Ist es nicht das Einzige, was bei der Lebensbilanz zählt?

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