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Der goldene Boden des Handwerks

Autorin: Annemarie Golser, terzExpertin

Handwerker sind gefragt. Um mehr Schulabgänger für eine Berufslehre zu motivieren, soll die Oberstufe der Realschule attraktiver gestaltet werden.

Annemarie Golser

Annemarie Golser

Schuld ist wohl das alte Rollendenken, dass Grossmütter vor allem für die Enkelsöhne grosse Erwartungen hegen. In den kühnsten Träumen sehen sie den Nachwuchs als Starchirurgen in Hellgrün, mit dem Taktstock im Konzertsaal, in der schmucken Uniform des Piloten. Schon als aufgeweckte Vierjährige schienen sie für ein Studium geradezu prädestiniert. Aber sie entscheiden sich nach der obligatorischen Schulzeit für die Lehre in einem handwerklichen Beruf. Also macht das Gen der Ahnen einen Strich durch die grossmütterliche Rechnung.
Da kommen eigene Schul-Erinnerungen auf über die unbeliebte Befragung des Lehrers nach dem Beruf des Vaters. Auftrumpfen konnten Schüler mit einem Uniformierten, einem Postboten oder Polizisten. Da schien mir „Buchhalter“ für meinen Erzeuger wenig attraktiv und ich beeilte mich zu erwähnen, dass mein Grossvater in der dritten Generation Kaminfeger sei. Zu meinem Erstaunen zeigte sich der Lehrer beeindruckt. Er erzählte gar vom einst schweren Handwerk, wusste viel über die Vorgeschichte dieses über vierhundertjährigen Berufsstandes, der durch sorgfältige Russarbeit und gewissenhafte Überprüfung der Feuerungsanlagen Heim und Haus immer schon vor Brandgefahr schützte. Ich war mächtig stolz auf unseren Familienberuf, der ja wohl deshalb das Glück im Wappen trägt und ich bewunderte meinen Grossvater, der bei der Arbeit den Zylinderhut trug, dieses äussere Merkmal seiner Meisterwürde.
Eine vierte Generation Kaminfeger wird es in unserer Familie nicht mehr geben. Meine Enkelsöhne werden ihren Beruf zwar im Überkleid, aber nicht schwarz gewandet, mit Hand, Kopf und hoffentlich Herz, ausüben.

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